Zwischen Sümpfen und Seen, weit im Osten eines Grossdeutschen Reiches, das einmal auf 1000 Jahre angelegt worden war, aber nur 12 davon hielt, liegen inmitten schweigender masurischer Wälder riesige Betonklötze; verstreut wie erratische Blöcke einer fernen Eiszeit. Dies sind die Reste der Bastion eines der schlimmsten Menschenfeinde, die die Welt je gesehen hat. Die Natur ergreift nach und nach Besitz von den Trümmern, überzieht sie gnädig mit einem grünen Netz aus Lebendigem.
Der Kommandant dieser einstigen befestigten Anlage bezeichnete sich damals selbst als in einer Wolfsschanze existierend; eine abartige Kreatur, die sich nur vermittels Hass, Vernichtung und Tod definieren konnte, bis sie sich schliesslich im Führerbunker in Berlin selbst aus der Welt schaffte. Der Evolution war ein verhängnisvoller Fehler unterlaufen, als sie die Missgeburt am 20. April 1889 in Braunau am Inn auf die Welt spie. Die Kreatur spürte das vielleicht selbst und markierte deshalb mit dem Namen seiner ostpreussischen Behausung, dass es sich nicht der menschlichen Gemeinschaft zugehörig fühlte.
Hinter fünf Meter dicken Mauern, überspannt von Tarnnetzen, drang nichts zum Einsiedler des Grauens: kein Schreien derer, die weiter im Osten von krepierenden Granaten zerfetzt wurden, nicht das Röcheln derer, die von Panzerketten zermalmt wurden, auch nicht das Lied vom Tod der 6. Armee vor Stalingrad. Um ihn war die Stille des Todes. Sonst nichts.
Wölfische Rituale wurden regelmässig in der Lagebaracke der masurischen Festung durchgeführt. Über Landkarten gebeugt entschied der GröFaz, wer zum Sterben abgeteilt wurde – «Das ist ein Befehl!» Das Rudel, die meisten von ihnen mit Eichenblättern auf den Kragenspiegeln, nahm die Ordres entgegen und führte sie aus; kommentarlos.
In seinen frühen Jahren war der fanatische Volksredner von den Eliten Deutschlands als ‹böhmischer Gefreiter› verhöhnt und für manipulierbar angesehen worden; als Strohmann geeignet, die verhasste Demokratie Weimars zu liquidieren, damit sich anschliessend der Generalstab wieder als Herr im Hause etablieren, die dem im Felde unbesiegten kaiserlichen Heer den Dolch des Novemberverrats aus dem Rücken ziehen und Preussens Gloria in altem Glanz wiederauferstehen lassen könne.
Dann entwickelte der Ansichtskartenkopierer aus dem Wiener Obdachlosenasyl jedoch einen nicht zu domestizierenden Starrsinn, nahm die Fäden selbst in die Hand und entmachtete jene, die halbherzig versucht hatten, ihn machtlos zu halten. Die imaginierten Puppenspieler fanden sich jäh in der kläglichen Rolle der Marionetten wieder.
Dass die Kreatur im Altreich mit dem Finanzjudentum abgerechnet und in den eroberten Gebieten mit den ostjüdischen Untermenschen und sonstigen Schädlingen kurzen Prozess gemacht hatte, wen hätte das in Deutschland gestört? Wo gehobelt wird, fallen Späne – und seit Friedrich Schiller weiss man in Deutschland, dass der Krieg ein eisernes Würfelspiel ist.
Dann aber wurde dem militärischen Oberkommando bei seinem Unternehmen Barbarossa nach und nach bewusst, dass man sich bei der Eroberung des Lebensraums im Osten übernommen hatte und dass eine masslos überdehnte Front wie die im Osten auf Dauer nicht zu halten sein würde – das Wolfsrudel hatte sich in seiner Gier masslos überschätzt. Unterstützt von General Winter, mit dem bereits Napoleon Bonapartes Grande Armée in Russland Bekanntschaft gemacht hatte, liess Genosse Stalin die durch Blitzkriege verwöhnte deutsche Wehrmacht zwischen Ostsee und Kaukasus ins Leere laufen, während die Partisanen die deutsche Logistik hinter der Hauptkampflinie nicht zur Ruhe kommen liessen.
Leningrad hielt 900 Tage und Nächte lang den Stukas und Granaten der deutschen Artillerie stand und wurde unter grössten Opfern zur Heldenstadt. In der Tiefe des russischen Raumes wurde die Rote Armee neu aufgestellt und rückte trotz schwerster Verluste unaufhaltsam nach Westen vor.
Als der Gefechtslärm den Wäldern Masurens näher und näher kam, die Alliierten bereits in der Normandie gelandet waren, da endlich rangen sich einige Mitglieder der alten wölfischen Eliten halbherzig dazu durch, sich ihres Rädelsführers entledigen zu wollen, um zu retten, was noch zu retten schien; selbst um den Preis, nach ihrem eigenen Selbstverständnis als Hochverräter in die deutsche Geschichte einzugehen.
Am Mittag des 20. Juli 1944 detonierte in der Wolfsschanze in Ostpreussen ein Sprengsatz während einer Besprechung, die vom Werwolf in seiner masurischen Festung geleitet wurde. Vier aus dem Meute sterben, ihr Anführer überlebt dank der Vorsehung nur leicht verletzt.
Am Abend des 20. Juli 1944 wird Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, deutscher Stabsoffizier aus altem Adelsgeschlecht, in Berlin füsiliert, weil er seinen Oberbefehlshaber zu beseitigen versucht hatte. Unmittelbar vor der tödlichen Salve soll er gerufen haben: «Es lebe das heilige Deutschland!»