Lesung aus «Skandal! Skandal!»

Lesung aus «Skandal! Skandal!»

Sehr geehrter Herr Direktor,
sehr geehrte Damen und Herren des Kollegiums der Kurt-Schumacher-Schule,
sehr geehrte Damen und Herren der Presse,
liebe Schülerinnen und Schüler der Kurt-Schumacher-Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe,
lieber Oberstudienrat Holger Gronau!

Herzlich willkommen zur konstituierenden Veranstaltung des KSS-Literaturcafés, an der sozusagen inaugurierend teilzunehmen ich die ganz große Ehre habe.

Ich möchte gleich eingangs erwähnen, dass ich dem Herrn KSS-Schulleiter, Herrn Dr. Krautheim, besonders verbunden bin insofern, als er bereits zum 3. Mal das unabwägbare Risiko auf sich nimmt, jemanden wie mich auf seine noch weitgehend unverdorbene (so hoffe ich trotz Internet und SMS) Schülerschaft loszulassen und mir in beispielhafter Liberalität bereits mehrfach gestattet hat, seine «Heiligen Hallen» zu betreten.

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Ob mein heutiger Skandal-Auftritt ohne Zwischenfälle verläuft, wird der weitere Verlauf  zeigen. Andererseits ist ja genug Personal hier im Raum, um mich ggf. auf den Pausenhof zu expedieren, sollten die Dinge aus dem Ruder zu laufen beginnen und die noch zu vermittelnden Maßlosigkeiten meiner Darbietungen das hier so segensreich pädagogischen Sinn stiftende Hessische Schulrecht zu bedrohen beginnen.

In die KSS habe ich mich sowieso nur getraut, weil ich als Schweizer Staatsbürger nicht mit den Sanktionen der übergeordneten Schulaufsichtsbehörden zu rechnen habe, bzw. mich sofort unter den schützenden Schirm der Mutter Helvetia retten werde, sollte die Luft hier bleihaltig werden.

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Ich vermute, meine Damen und Herren, mein sehr formaler, in einigen Teilen sogar politisch korrekter Beginn hat Sie etwas verwundert. Zumindest einige von Ihnen. Die Damen des 13er-Leistungskurses von Herrn Gronau, die kürzlich mit der Lektüre meines Traktats «Skandal! Skandal!» belästigt worden sind, werden sich ganz besonders gewundert haben – vielleicht.  Dass der Peters so unglaublich korrekt sein kann! Kann er.

Ich ahne, meine verehrten, leidgeprüften Damen des genannten Kurses – ohne mich in Ihre junge, geschweige denn weibliche Psyche versetzen zu können –, dass Sie nach der Lektüre von «Skandal!» partiell oder mehrheitlich, laut oder leise, die Meinung vertreten haben, dass der verschrobene Typ, der hier vor Ihnen sitzt, «sowieso einen Riss in der Birne» habe.

Wir werden diese zerebrale Befindlichkeit des Herrn Autors gleich noch aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten – etwas gebrochen zwar über mein Rezitieren und Erläutern (bzw. Verwirren) von «Skandal! Skandal!», aber dennoch unverkennbar Irrlichter auf den Urheber dieses erschreckenden Konvoluts werfend.

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Nur eines gleich vorweg (in medizinischen Texten würde stehen: «CAVE»!): Selbst Texte, die ich in der 1. Person Singular verfasse, müssen nicht notwendigerweise bedeuten, dass sie meine wirkliche Meinung wiedergeben.

Eher ist das Gegenteil richtig. Sogar bei Behauptungen, die nicht aufgestellt wurden.

Wobei durchaus die Frage auftauchen könnte: «Was ist das Gegenteil einer Behauptung, die gar nicht aufgestellt worden ist?»

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Kleine Quasi-Wiederholung und Vorbereitung auf das Kommende: Die Tatsache, nicht dem Hessischen Beamtenrecht, ja noch nicht einmal deutscher Jurisdiktion zu unterliegen, verschafft mir den gewünschten Freiraum, auch nicht methodisch-didaktisch wohltemperiert vorgehen zu müssen. Sondern das Vergnügen, das zu tun, was mir liegt: der Phantasterei freien Lauf zu lassen. Meine Frau Mutter, disziplinierter preußischer Beamtenschaft entstammend, pflegte solcherlei Betätigungen verwarnend zu bezeichnen mit «Kraut und Rüben», wodurch es mit dem Herrn Sohn eines Tages sicher sehr böse enden werde.

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Nunmehr sehen wir bereits umrissartig ein Gegensatzpaar entstehen, ein Spannungsverhältnis: «Disziplin vs. Schwärmerei», aus dem, wenn man Glück hat, eine Kreativität ersprießen kann. Und wenn man Freud’sche Sublimierungsannahmen, die irgendwie auch – ich sage dies bewusst vorsichtig – etwas mit Sexualität zu tun haben, nimmt man diese dazu, dann kommt man schon etwas näher an «the making of» «Skandal! Skandal!» heran.

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Obwohl ich es persönlich immer empört von mir weise, meine eigenen Texte zu interpretieren und ebenso weitschweifig wie erfolglos zu erklären, warum ich sie geschrieben habe – was ich meistens auch gar nicht kann –, so wird dies merkwürdige Verweigerung völlig zu Recht von Fragenden als hochgradig unfair oder inkompetent empfunden: «Er muss doch wissen, warum er so etwas schreibt!» – Weiß er aber nicht immer.

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In der Einleitung von “Skandal! Skandal!” liest sich diese für nach Sinn in «Skandal!» Suchende unergiebige Bockbeinigkeit so:

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«Keine Frau blickt, mit exaltiert berückendem Wimpernvibrato, ihrem Kfz-Mechaniker schmachtend in die farblosen Augen und flüstert sinnend: «Welches, Meister, wird Ihre nächste, vollendet ausgewuchtete Nockerlwelle sein – welchen wundervollen Ölfilter dürfen wir noch von Ihnen erwarten?»

Dem nichts ahnend Radmuttern anziehenden Monteur, dem sein Gottesgnadentum durchaus neu wäre und auch ziemlich überraschend zur Kenntnis käme, fiele glatt der Schraubenschlüssel auf den Fuß.

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Aber alle halten es indes für durchaus zulässig, Schreibende in dieser Art zu malträtieren; meine Wenigkeit beispielsweise belästigt man ungeniert mit solcherlei Inquisitorischem…

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Anregungen verschieden ergiebiger und ungleich willkommener Art, was ich als nächstes schreiben könnte/sollte/unbedingt müsste, nehme ich jederzeit mit höflichem Interesse zur Kenntnis, finde sie allerdings nicht unbedingt immer tragfähig. Eine Meinung, die manche meiner Leserinnen und viele Rezensentinnen gern an meine dann irgendwann doch fertigen Texte und deren in ebensolchem Zustand an seinem Schreibtisch zusammengebrochenen Erzeuger zurückgeben…

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Meine Psyche ist der halsstarrigen Auffassung, dass sie ‹geschrieben› eine ihr bekömmliche Lebensform finden könnte. Sie begründet dies nicht weiter, sondern stürzt mich mit dieser undeutlichen, aber keinen Widerspruch duldenden Meinungsäußerung in die größten Schwierigkeiten.

Wenn ich dann meinem frei fluktuierenden und nicht immer leicht zu bändigenden Seelchen anfange leidzutun, nimmt es mich regelmäßig bei der Hand, geleitet mich zu meinem Macintosh und bittet mich liebevoll: «Nimm Platz, mein Freund, wir wollen etwas schreiben.»

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Dieser Plan, der in unauslotbaren Frühnebeln schwankende Konturen anzunehmen beginnt – oder sich des Öfteren auch wieder zurückzieht, ohne sich dem trüben Blick vollends gezeigt zu haben – gerät unabweislich in Opposition zu dem, was Jahrzehnte von Erziehung, Bildung und Zivilisation mehr oder weniger gelungen kategorisiert und kategorisch aufgestapelt haben: «Gnädiger Herr, es ist angerichtet.»

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Für diesen Zwiespalt, nämlich insofern, als die semimärkische Herkunft quasi-genetisch etwas anordnet und das eine will und meine von Freud et al. (hört, hört!!) in Freiheit gesetzte Psyche das andere nicht lassen kann, finden sich namhafte literarische Topoi: Man nehme Kleists ‹Prinz Friedrich von Homburg›, konfrontiere ihn mit Lawrences ‹Lady Chatterley’s Lover›, und schon sind Karambolagen vorprogrammiert, deren Schadensspektrum von abgeblättertem Lack bis zu Totalschäden reicht – karrosserietechnisch umschrieben.»

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Worum geht es denn überhaupt in diesem merkwürdigen Büchlein «Skandal! Skandal!», von dem einige begeistert, andere entgeistert und manche sicherheitshalber überhaupt nicht reden? Die meisten lesen «so etwas» gar nicht erst.

Die Basler Zeitung hat dies in einer Rezension besser zusammengefasst, als ich dies könnte:

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«Die eigenwillige Gestaltung des Textes mit Einschüben, unterschiedlichen Schriftbildern und fast alles erklärenden Fussnoten wirkt chaotisch. Und genau das beabsichtigt Jan Peters offenbar. Denn er schreibt schon im Vorwort: «Das ‹Organisationsprinzip› ist der Natur abgeschaut. Die Menschheit ist angestrengt damit beschäftigt, allem und jedem, das sie umgibt, einen Sinn zu unterstellen, damit die mühselige Orientierung nicht verloren gehe. ‹Skandal! Skandal!› bringt das alles kurzfristig in ein stabiles Ungleichgewicht – es tobt das Chaos, wo es nur kann, und unterläuft die Ordnung.»
(…) Obwohl seine Beschreibung «Der Untergang des Hauses Arthur oder: Die wunderschöne Königin Jane Alexa Coupar und ihre geheimnisvolle Feuerlilie» und auch der zweite Text, eine Neuinterpretation des germanischen Heldenepos Held Siegfried, in tiefdunkler Vergangenheit spielen, spinnt Jan Peters sein (…) sprachliches Netz ebenso im Heute. Und dies manchmal mit einem Anflug von Zynismus, vor allem aber mit ironischen Unter- und Zwischentönen. (…) zeigt hier der Autor seine schalkhafte Seite, mit einer ausgeprägten Lust am (Un-)Sinn und an grotesken Situationen, teilweise gespickt mit erotischen Fantasien.»

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Nicht schlecht gesagt, liebe Basler Zeitung, so ungefähr ist mein «Skandal»! Und ob er überhaupt einen Sinn hätte, der ein anderer als der «Un»-Sinn wäre, das ist die Frage. Weitergehend wäre die Frage, ob es die Pflicht eines Textes ist, einen Sinn zu haben?

Auf dem Buchrücken steht: «Ich bin der Meinung, dass hinter jedem sichtbaren Wort ein weiteres lauert, auch bin ich fest davon überzeugt, dass Kulissen ihre niederträchtige Existenzberechtigung lediglich daraus beziehen können, weggeschoben zu werden, um den Blick auf die heimlichen Attraktoren freizugeben. Das wirklich Skandalöse unseres Lebens besteht darin, dass uns das Unwesentliche als wesentlich verkauft wird. Und umgekehrt.»

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Ich stelle einige Thesen auf.

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These Nr. 1: «Skandal! Skandal!» ist ein wüster Angriff auf die «political correctness».

Was ist denn überhaupt political correctness? Eine amerikanische Erfindung. Wahrscheinlich eine Verhaltensdirektive, um die dem amerikanischen Rechtssystem inhärenten maßlosen Schadenersatzforderungen abzuwehren. Infam gesagt ist es politically correct, eine Frau, die 15 Jahre im Wachkoma gelegen hat, nicht sterben zu lassen. Politically correct ist es auch, im Irak einzumarschieren, unter nachweislich falschen Annahmen, und dort, wie die kürzlich verstorbene Susan Sontag, Trägerin des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, sagte, «genau diejenigen Zustände hervorzurufen, die durch den Einmarsch angeblich verhindert werden sollten.»

Politically correct ist es, für Enthaltsamkeit vor der Ehe zu plädieren und gleichzeitig die größte, härteste und profitabelste Pornoindustrie der Welt zu besitzen.

Politically correct ist es offensichtlich auch, die ganze Welt unaufgefordert mit Millionen von Spams zu überschwemmen, in denen einem von betrügerischen Krediten bis zu äußersten Geschmacklosigkeiten der größte Mist aller Zeiten angedreht werden soll. Die USA sind Weltmarktführer in der immateriellen elektronischen Umweltverschmutzung. Kürzlich bot man mir preisgünstig „fügsame asiatische Frauen“ per E-Mail an: das ‚Stück’ für 12.000.– Dollar (exkl. Mwst.) – ein echtes Sonderangebot!

In Energieverschwendung und Umweltvernachlässigung, siehe das Kyoto-Protokoll, ebenso.

Politically correct ist es, vehement gegen Abtreibungen zu Felde zu ziehen und gleichzeitig in Florida ein Gesetz zu erlassen, das die Bürger dazu berechtigt, bei der bloßen subjektiven Vermutung, bedroht zu sein, den Bedroher zu erschießen.

Politically correct ist auch die Todesstrafe.

Politically correct ist es, einer Frau zu sagen: «Gnädige Frau, wie ich Ihren Esprit bewundere.»

Politically sehr incorrect wäre es, derselben Frau zu sagen: «Ist das ein wonder bra oder alles echt, Baby?» There’s a lot of trouble ahead, man!

Vermutlich war Humphrey Bogart auch einer der Letzten, der ohne juristische Folgen: «Sieh mir in die Augen, Kleines!» zu einer amerikanischen Frau sagen durfte.

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«Skandal! Skandal!» sieht diesen Bereich der menschlichen Kontaktaufnahme weitaus lockerer und betrachtet Menschen – wenn man so will – als integrale Wesen, deren Trennung in Körper und Geist als willkürlich und zivilisatorisch determiniert anzusehen ist.

In meiner sehr innovativen Interpretation der Gralssuche beispielsweise ist der Begriff des Grals ziemlich weit  und bösartig phallokratisch funktional gefasst, und einige der Damen auf der Burg ‚Camouflage’, die zum Schluss wie ein Kartenhaus zusammenfällt und im Meer versinkt, tragen keltische Namen.

Was diese keltischen Namen semantisch beinhalten, darf die Leserschaft selbst herausfinden. Die Hinweise darauf sind bewusst spärlich und gut versteckt.

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‚Sic transit gloria mundi’: der Untergang des Hauses Arthur

«Und außerdem, die plündernden Ritter, sie raffen zusammen der widerstrebenden Schweinehunde, Bastarde, Quastenflosser, Kormorane, Thymiane, Kaiserpinguine, Ameisenbären, Riesenpandas, Stachelrochen, Sibirischen Winkelzahnmolche und Archaeopterixe greifbare, schnell wie der Blitze donnernde Fahrt, klemmen sich also dies strampelnd-kratzend-beissende Getier unter die Arme, die gierigen, und dann, und wahrlich nicht zuletzt, schafft man noch so viele Wertgegenstände wie in der Eile nur irgend möglich beiseite, ruckizucki  nimmt ein man eine Paradeaufstellung, denen von Lemmingen zum Verwechseln ähnelnd, und purzeln mucksmäuschenstill und in beispielhafter Marschordnung über die Klippen der Kamikaze-Recken sonder Zahl – und nehmen mit sich der vergeblich widerstehenden Tiere, ängstlich gemischt ihre Schar, dem Tode geweiht. Alle!»

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These Nr. 2: «Skandal! Skandal!» ist eine Beschreibung der Hoffnungslosigkeit menschlicher Existenz.

Wo können wir Hoffnung und Beistand erfahren? Nirgendwo.

Gibt es spirituelle, ökonomische, therapeutische Hilfestellungen in unseres Daseins Mühsal? Keine. Die Religion, für die im Buch der Gral steht? „Tand, Tand…“, Altmetall und Schrott. Die Führer der Wirtschaft und Politik? Man lese die psychotisch eingefärbte Rede des volltrunkenen König Arthur,  nehme die grotesken Übertreibungen heraus und ersetze die dort herumfliegenden Worthülsen und Sprechblasen durch beliebige Versatzstücke aus  Reden öffentlicher Personen.

König Arthur lallt: «(…) Traue nur der Bilanz, die du selbst frisiert, und dem Crash flow, den du eigenhändig in Offshore-Waschmaschinen umgeleitet hast!“, und Joseph Ackermann, Schweizer an der Spitze der Deutschen Bank, präsentiert hervorragende Gewinne und kündigt gleichzeitig die Beseitigung einer großen Zahl von Arbeitsplätzen an.

Verschiedene Diskurse mit identischen Zielsetzungen der Profitmaximierung.

Dem wahlkämpfenden Genossen Müntefehring gefällt der Neoliberalismus der Heuschrecken nicht.

Jan Peters’ «Skandal! Skandal!» auch nicht.

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Es scheint ein massives Sinnvakuum in dieser Welt zu herrschen. Woher sonst der schrille Hype um die Farbe des Rauchs aus der Sixtina? Benedikt von Regensburg – TV-Superstar.

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These Nr. 3: Ich mag Richard Wagner und die Nibelungen nicht. Im Gegensatz zu denjenigen Figuren, die zwischen 1933 und 1945 das Sagen in Deutschland hatten.

Dies ist überhaupt keine These, sondern die reine Wahrheit. Das ist im Buch gar nicht zu überlesen:

«Unheilvolle deutsche Sinnsucherei – welch polymorph perverse Folgen sie schon gezeitigt hat, und nicht selten mündete sie in katastrophalen Fehlentwicklungen.

Nehmen wir ein willkürlich herausgepicktes, aber besonders abschreckendes Beispiel aus der Musikgeschichte.

Nehmen wir denjenigen Komponisten, dessen komplette Werke auch heute noch in der wohlsortierten CD-Sammlung eines jeden ordentlich abgerichteten Deutschen Schäferhundes nicht fehlen dürfen.

Wagners Ritchie – und sein dräuendes Motto lautete: ‹Das muss kesseln, was ich am Komponieren ’raushaue!› – hat aus dieser ganzen germanischen Schwermut, die ohnehin wenig dazu dienlich ist, eine allgemeine Gemütsaufhellung zu bewirken, noch viel grauenhaftere Weltuntergänge gemacht, nämlich für kernig teutonisch rumpelnde Orchester, möglichst in Kampfbrigadestärke angetreten.

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Diese Art von vorsätzlicher akustischer Körperverletzung – wenn die nicht nur bedeutungs-, sondern auch sonst ziemlich schweren Walküren reiten, dass im Parkett die Kukident-Gebisse rattern – wird von manchen fälschlicherweise als ein symphonischer Orgasmus alldeutschen Kulturschaffens angesehen.

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Und dann erst Held S., wenn er sein Schwert Baldur v. Schirach schmiedet, da bleibt kein deutsches Auge ausgedörrt!

Im Hintergrund tummelt sich prustend und schnaubend der stark verkühlte Drache namens Pfaffenmeyr, im Parkett seufzt tief ein Hausdrachen nach dem anderen.

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Interessant ist diese verwürgte Held S./König Gunther/Finsterling Hagen et al.-Verwechslungs-Vergewaltigungs-Rache-Orgie äußerstenfalls in Hinblick auf die sonderbare Art und Weise, in der die ultima Thulerin Brustschilde in das am ‹Rheinischen Hof›, empfohlen vom NSKK, mehr oder weniger akzeptierte Brauchtum eingeführt wird.

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Brustschilde, das ruppige Monsterweib, das sich bevorzugt in arktischen Breiten im Packeis aufhielt und reihenweise wehrlose Polarbären zur Strecke brachte, immer wenn es sie packte, dieses läufige Verlangen nach der lüsterner Gewalttätigkeit eines bärenstarken Bärenmännchens, auf das sie sich mit dem wilden Brunftschrei eines King Kong stürzte, sich ungeduldig den Walrossschurz von den Lenden reißend und ihn mit ihrer unbändigen Lust bis auf den letzten Tropfen aussaugte, ihn solange brutal vergewaltigte, bis er schließlich bewusstlos im Eise zu liegen kam, ein weißer Schatten seiner selbst, kaum den noch werfen könnend vor Entkräftung und Verwirrung.

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Herr König Gunther will auch gern mal ein Eisbär sein, aber Brustschilde möchte nicht mit ihm spielen; weder mit ihm noch mit sonst wem, sie macht lieber Stabhochsprung über dumpf blubbernde Geysire und schmeißt unmotiviert Felsbrocken in die öde Gegend, in der sie, ein rechter Wildfang, ein freies Leben führte, bis die Nibelungen mit der M.S. Wormatia längsseits anlegten und festmachten, und der vernebelte Held S. die stolze Frau des Nordens hinterhältig aufs Kreuz legte, was Gunther bei der Siegerehrung für sich beanspruchte.

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Dann war da noch dieser eigenbrötlerische Tronje aus Hagen/Westfalen. Er saß meistens irgendwo übellaunig in der Gegend herum, kriegte die Zähne nicht auseinander, außer er aß missmutig Mettwurst- und Mainzer-Käse-Brote, trank Met und sann.

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Monatelang hielt es das durch.

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Nur gelegentlich hörte man von ihm ein leises: «Ist das wieder diese ungültige Zervelatwurst aus dem Konsum? Dieses Sonderangebot?»

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Sein germanisch tiefsinnender Gesichtsausdruck hielt alle anderen zuverlässig davon ab, ihn zu fragen, ob er sich denn auch so richtig schön amüsiere bei den alten BurgunderInnen.

Dergleichen Bemerkungen an den muffigen Tranig v. Hagen zu richten, dies hätte durchaus in die Schneidezähne des Vorlauten gehen können!

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Eines Tages klauten die Nibelungen – namentlich wären hier zu nennen: Gerenot, Giselher, Rümolt, der Standortpfarrer Sigurd Schneckenschröder und Volker von Alzheim –, als sie eine ausgelassene Spritztour mit einigen Burgmiezen in ihrem KdF-Kübelwagen machten, den der grausam abgefüllte Schneckenschröder, ihr auf Bewährung angestellter geistlicher Beistand, nach einer eskalierten Weinprobe aufmerksamerweise vollkübelte…, kurz und gut, die Wormser Rasselbande entnahm ohne jegliche Form von Bezahlung einer Tankstelle drei Stangen Zigaretten, zwei Flaschen Sechsämtertropfen sowie den neuesten Shell-Atlas und entdeckte darin voller Begeisterung, dass es auf der anderen Seite des Schicksalsstromes, anscheinend im Lodenwald, eine Nibelungenstrasse gab, von der noch nie zuvor Kunde an ihre Ohren gedrungen war.

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Im eilends einberufenen Thron-Rat herrschte zunächst Thron-Rat-Losigkeit, bis nach längerer Zeit einer gellend schrie: «Nibelungen? Das sân doch mir??!!»

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Die Herren waren erleichtert ob dieses Geistesblitzes, stimmten summend ihre Hofhymne an: «Unsere Fahne wehet uns voran», ließen ihre ausdauerndsten Turnierhühner satteln, schulterten stillvergnügt ihre feldgrauen Reichswehr-Felleisen, das Kochgeschirr, ihre Gasmasken, etwas Knäckebrot, ihre zerlegbaren Feldessbestecke 08/15 und reichlich Eierhandgranaten – ‹Friedlich, wenn in Grase liegt, scheißlich, wenn an Fresse fliegt› – und radelten gemeinsam davon.

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Drei Tage und zwölf Nächte suchte die burgundische Panzerknacker AG einen passenden Ort, um Held S. mal unwiderruflich:

«eins zu geben auf die Bonje»,
wie hatte gesprochen der Herr von Tronje.

Dann fielen die ersten der burgundischen Reithühner röchelnd vor Heimweh sang- und klanglos in sich zusammen, und die Zeit schien reif, ein germanistisches Armageddon abzuziehen.

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Es kam inmitten von verängstigten, erfolglos um Hilfe rufenden Rehen und Hirschen – leichtgläubige Tiere allesamt, die ohne das rudimentärste Wissen um die Existenz der gerade eröffneten Kampfzone leichtfüßig und -fertig in dieselbe  galoppiert gekommen waren – zur gewaltigen Entscheidungsschlacht, zum Völkerringen, in welchem in erster Linie der Stabsgefreite Held S., Träges des Stählernen Kreuzes 3. Klasse, den süßsauren Heldentod für Führer, Volk und Vaterland sterben durfte.

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Und das durch schnöden Verrat, denn Mettwurst-Tronje war hinterbracht worden, dass Held S. eine ganz besondere Stelle an seinem Körper hätte.

Brustschilde, die wie berichtet mit Held S.s allgemeinen und besonderen Körperteilen und -stellen schon vorher Bekanntschaft gemacht hatte, war allerdings wider allen Erwartens des geschockten Publikums, das vom Sperrsitz aus den germanischen Held S. so abgrundtief bewundert hatte, nicht die Verräterin.

Sondern Kriemhild, die ein Parteiabzeichen auf Held Siegfrieds Wildbratenrock genäht hatte, damit – aber das hatte sie noch nicht gewusst während ihrer Handarbeitsstunde – Tronjehagen dem Helden S. ganz gepflegt eins überbraten könnte: Kimme, Korn, RAN!

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Held Siegfrieds Ex-Frau, erst Kriemhild, danach Kriemwitwe und am Ende als Kreischhilde hadernd Hinterbliebene des allerwertesten Verblichenen, die nicht vergessen wollte, geschweige denn konnte, dass vieles höchstwahrscheinlich hätte vermieden werden können – im günstigsten aller Fälle ja sogar das ganze Stück als solches, das wäre zu schön, um wahr zu sein!! – mit ein wenig Einfühlungsvermögen, Rücksichtnahme, Toleranz, Großherzigkeit, Entgegenkommen, Verzeihen, Verständnis, Einfühlungsvermögen, Rücksichtnahme, Toleranz, Großherzigkeit, Entgegenkommen, Verzeihen, Verständnis etc., Kreisch-Hilde ließ sich von wilden, in ihrem Lebensstil stark retardierten Kerlen in eine mongolische Jurte zerren, ass unheimlich viel Joghurt, beruhigte sich aber nicht wirklich, sondern schmiedete schwarze Gedanken:

heiratete diesen dämlichen Etzel,
und es kam zum finalen Geschnetzel!

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Der Nibelungen ENDE war damit glücklich gekommen! Und ab ging’s nach Walhalla!

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These Nr. 4: Eine sexuelle Befreiung hat nicht stattgefunden. Was so erscheint, ist blanker Kommerz & Lug & Trug.

Zugegebenermaßen ist die Passage: «Wo stehen wir heute bei der sexuellen Befreiung der deutschen Frau» in «Skandal! Skandal!» die perfideste, und ich werde gar nicht  erst wortreich versuchen, aus ihr etwas Positives herauszuwringen; sie zielt allerdings, wenn auch – wie der Rest des Buches – auf sehr verschlungenen Pfaden, nicht auf den vermeintlichen Gegenstand, der heimtückisch und bösartig thematisiert wird mit «die deutsche Frau», sondern kolportiert so ziemlich alle Vorurteile, die über Sex und die entsprechenden Geschlechterrollen im Umlauf sind.

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«Es ist irgendwo dort draussen im Dschungel – und es ist hungrig…»

«Ist meine Sexualität komplett meiner Art genetisch vorgegeben›, fragt sich die deutsche Frau,‹inklusive aller ausgeprägten Unarten, womit Änderungsversuchen enge Grenzen gesetzt wären, oder lernte ich das mir eigentümlich erscheinende, unheilschwangere Sexualverhalten gezielt in zaghaften bis kühnen Selbst- und risikoreichen Partnersuch-Versuchen?»

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Ich hatte befürchtet, dass Sie diese Frage irgendwann an mich richten würden, habe es kommen sehen; das ist das ewig Deutsche in Ihnen, das sie so etwas fragt lässt!

Bei deutschen Männern nennt man es das Faustische – Heinrich, mir graut vor dir! –, den tief im Germanen verwurzelten Drang, seiner schicksalhaften Bedeutung eisern grübelnd nachzuspüren.

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Denn er hält sich für ein Unikat; im Gegensatz zum Ausländer, diesem Unikum, das nach wie vor und sowieso am besten in seinem desolat organisierten Ausland aufgehoben ist, in dem nichts wirklich reibungslos funktioniert, alle Wasserhähne tropfen, das Essen mit Knoblauch und tranigem Olivenöl vorsätzlich ungenießbar gemacht wird, aus schmuddligen Hotelzimmern Gepäck spurlos verschwindet, deutsche Autos zwecks fachgerechter Komplettentnahme der Radios, Navigationssysteme, Kameras und Kreditkarten aufgebrochen werden sowie die deutsche Frau nachts stundenlang allein auf der Strasse rauchen kann, ohne jemals von dort herumstreunenden, sexhungrigen Ausländern angesprochen zu werden.

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Da diese zu dritt bis maximal viert in der Taverna oder Bodega sitzen, eine Germanisierung der südlichen Trinksitten durch den Einsatz von Herrengedecken in Form von Becks-Bier mit lauwarmen Trester-Rauhbränden im Verhältnis 1:1 durchführen und deren Unterhaltungen nicht wesentlich über «achtzehn, zwanzig, zwo, null, vier, weg!» hinaus zu gedeihen vermögen.

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Wenn deutsche Männer Faustisches fragen, das heißt, wenn sie es überhaupt mal über sich bringen, etwas zu fragen – für sie ist von der Vorsehung eher Denken als Reden angeordnet worden –, hat der Deutschen Sprache keinen entsprechenden Ausdruck im Lexikon, und das ‹Gretesche› im deutschen Weibe harrte noch seiner philosophischen Entdeckung, männlichen Betreuung und literarischen Ausbeutung – bis jetzt.»

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Und warum in Zeiten der immer ungeschminkter grassierenden Profitgier jemand überhaupt noch jemandem helfen sollte, das könnte man diabolischerweise so darstellen – was wiederum auf eine Art von Nihilismus und Hoffnungslosigkeit hinausläuft, mit denen „Skandal!“, neben anarchistischen Ausbrüchen, einiges enthält:

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«Wenn Sie mir im Zuge unserer in Bälde stattfindenden Übertragung etwas kundzutun haben, wäre ich Ihnen dankbar, wenn dies nicht in schriftlicher Form erfolgte. Das hat nämlich schon anlässlich meiner letzten Patientin zu endlosen Debatten mit meiner Frau geführt.

Genauso wollen wir es mit der Bezahlung meiner Ihnen demnächst zahlreich ins Haus schneienden gesalzenen Rechnungen halten: immer schlicht um schlicht, Zug für Zug, brutto gleich netto.

Großherzige Vorauszahlungen sind allzeit erwünscht; gerade hier bei unserer analytischen Behandlung wäre eine übertriebene Sparsamkeit Ihrerseits fehl am Platze und kontraproduktiv, der Befreiung aus Ihrem schauerlichen Seelengefängnis ganz und gar nicht förderlich, dem Ergebnis höchst abträglich.

Wir wissen es ja alle: Bargeld lacht am erfreulichsten in kleinen, etwas abgegriffenen, nicht durchgehend nummerierten Noten.

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Es können durchaus auch mal nennenswerte Beträge in Schweizer Franken sein, ich bin da sehr flexibler bei der Währungskonvertierung. Seien Sie vor allen Dingen nicht engherzig, denn Geben ist seliger denn Nehmen, und der Herr liebt die, welche reichlich Almosen verteilen, ohne da groß auf ein paar Tausender und den im Grunde für Ihr Seelenheil doch wirklich nicht ausschlaggebenden Kontostand zu achten! Von Pfennigfuchsereien kann ich nur dringend abraten!

Von Goldbarren bitte ich abzusehen, da ist mir kürzlich erst der Boden im Tresorraum rausgefallen.

Diskreditierendes wie Quittungen auszustellen oder uns mit langweiligem Schreibkram zu belasten, was uns wertvolle Zeit für Anamnesen und Irokesen auf der einen Seite sowie Diagnose und Parodontose auf der anderen wegfrisst, diese Unarten wollen wir uns doch bitte nicht angewöhnen! Kein Thema!

Schriftverkehr wird keiner geführt. Das hat nämlich schon anlässlich meiner letzten Patientin zu endlosen Debatten mit diesem Blödmann von der Steuerfahndung geführt.»

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These Nr. 5: Unser ganzes Leben hat sowieso keinen Sinn – es sei denn, es gelänge uns, dass wir ihm einen verleihen könnten.

Sollte ihnen «Skandal! Skandal!» wider Erwarten zu dieser durchaus bemerkenswerten Einsicht verholfen haben, wünsche ich Ihnen viel Erfolg dabei, diese letzte These an Ihrem eigenen Leben zu falsifizieren oder zu verifizieren. Das wäre dann das, was man sehr treffend mit «Lebensaufgabe» bezeichnet.

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Und wenn Sie nun vollends und mit Mann und Maus der nicht auszuschließenden Meinung sind, so einer wie ich, der solch ein Zeug zusammenschreibt, der gehört in eine Anstalt und nicht in eine Schule, dann gebe ich Ihnen noch etwas Kryptisches zum Abschluss:

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Aber eines ist gewiss, Jane Alexa Coupar und ihre Liebe zu mir sind niemals erloschen, sie haben die Vernichtung der Burg überlebt, und mit ihrer Schwester vom See hat meine Königin durch die Jahrhunderte hindurch geduldig auf mich gewartet.

Und eines Tages werde ich mich wieder aufmachen in das Schottische Hochland, um mit meiner Jane Alexa Coupar blutige Hochzeit zu feiern.

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Und mit unserer Vereinigung wird Camouflage in alter Pracht gewaltig wieder aufstehen, um zu herrschen bis an den Beginn der Ewigkeit!

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Was man ja durchaus als eine Liebeserklärung an alle Frauen ansehen könnte, sofern man meine schottische Königin Jane Alexa mit ihrer geheimnisvollen Feuerlilie als Repräsentantin für «die Frau als solche» erkennt und womit meine schlimmsten Passagen in «Skandal! Skandal!» vielleicht in einem ganz anderen Licht erscheinen könnten.

Eine Frage bleibt allerdings offen:

  • Wer war (oder ist) Jane Alexa Coupar, The Rose of Kilmarnock?

Die Antwort darauf werde ich indes nicht veröffentlichen, sondern mit in mein Grab nehmen. Und wenn irgend eine mitfühlende Seele Feuerlilien darauf pflanzte, dann wäre diese zutiefst mitfühlende Tat das Ende aller von mir ausgelösten Skandale und würde mir im Tod denjenigen Seelenfrieden geben, den ich im Leben nicht gefunden habe.

*

Ich danke Ihnen für Ihre unbeschreibliche Geduld.

***

Eröffnung des «Literatur-Cafés»
der Kurt-Schumacher-Schule, Karben
April 2004

Jan Peters

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