Während in diversen Medien eifrig darüber disputiert wird, ob der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis seinen deutschen Amtskollegen wirklich mit einer unflätigen Geste in einem Video beleidigt hat – oder auch nicht – und ob Wolfgang Schäuble seinen hellenischen Widersacher als «dümmlich naiv» bezeichnet hat – oder auch nicht -, ist doch Fakt…
… Schäuble hält Varoufakis für einen grossmäuligen Oberpenner, der ausser dem Verjuxen von Kohle, die andere Leute mühselig verdient haben, nie was auf die Reihe kriegt. Und Letztgenannter hält Erstgenannten für einen grossdeutschen Hornochsen, mit dem er als Privatmann nur dann über Geld reden würde, wenn er dringend eine öffentliche Bedürfnisanstalt aufsuchen müsste und keine Münzen für die Tür hätte.
Symbolträchtiger hätte wahrhaftig nicht sein können, was sich kürzlich in Athen und Berlin zutrug: Die griechische Regierung, randvoll mit vom deutschen Steuerzahler finanzierten Ouzo und Retsina, tanzt hemmungslos Sirtaki um die entgegen zahlloser Wiederaufbauzusagen des Herrn Tsipras immer noch in Trümmern liegende Akropolis und jauchzt: «Wir versaufen uns’rem Schäuble sein klein Häuschen!» – hingegen weihevolle Stille und frommer Ernst in der Berliner Wilhelmstrasse 102, wo sich die Regierungsspitzen zur «Grossen Lage» beim Reichsführer Finanzen versammelt haben.
Aber beginnen wir diesen Tag von Berlin, der Hauptstadt der nationalen Erhebung, dort, wo er begann, nämlich früh am Morgen:
Aus den über der Spree wabernden Frühnebeln schälen sich deutsche Bäckerjungen, die flink wie Windhunde auf ihren «Vaterland»-Rädern frische Brötchen ausliefern – die in Berlin «Schrippen» heissen. Sie liefern sie in die deutschen Haushalte – die sowohl in Berlin als auch im sonstigen Reichsgebiet inklusive Elsass-Lothringen «deutsche Haushalte» heissen -, da greift der Kornett zur Trompete und trompetet lauthals heraus, was Gross-Berlin befürchtet hat: «Kompanie: aufstehen!»
Berlin reibt sich die Augen: «Ist es wirklich schon so spät?» Jawohl, ist es.
Die kruppstahlharte Leibstandarte «Jogi Gauck» kehrt, frohen Mutes «Oh du schöner Westerwald» schmetternd, vom Frühsport auf der Hasenheide in ihre Garnison zurück, legt Uniform an und marschiert im Stechschritt zwecks Wachablösung zur Reichskanzlei, da nimmt der Reichsführer Finanzen bereits seinen zur Befehlsausgabe angetrabten Flügeladjutanten im Finanzführungsbunker, wo in Kürze die restliche Regierung zur Vergatterung antreten wird, mit der für ihn so typischen Vorgesetztenfürsorge ins Gebet: «Meine Fresse, Kaltenbrunner, schwätzen Sie weiter so saublöd daher, dann ist für Sie am 15. der 1.! Capito?»
Kaltenbrunner fällt bewusstlos um, wird von Sanitätssoldaten aus der Hauptkampflinie geräumt und in einem gepanzerten Krankentransport-Kfz, Halbkette, ins Hinterland verbracht.
Um die peinliche Unterbrechung zu überbrücken, ergreift BDM-Cheerleaderin von der Leyen das Wort und weist in flottem Kasernenhofton darauf hin, dass auch ihre Geduld mit «Herrn Tsipras & Co.» ihre Grenzen habe und man reineweg auch «anders könne»; was mit einem zackigen Tusch des Stabsmusikkorps der Bundeswehr im Stil des Mainzer Narhalla-Marsches unterstrichen wird. Dazu schunkelt das Wachbataillon und summt dräuend die Tannhäuser-Ouvertüre.
«Wir sind doch nicht die Zahlmeister Europas!», schreit Schäuble, dessen Blutdruck Höchstwerte erreicht, und Volker Kauder, Fraktionsvorsitzender der CDU, brüllt hinzu, dass weder die Bundesrepublik Deutschland noch die CDU die Zahlmeister Europas seien.
Bezüglich der SPD könne er dazu nichts sagen, da ihm keine entsprechenden Informationen vorlägen und er den zwecks Waffenvertickens im Ausland befindlichen Sigmar Gabriel nicht habe erreichen können. Eine Partei, welche «die Linke» heisse, kenne er nicht. Eine «Deutsche Demokratische Republik», die angeblich östlich der BRD gelegen haben soll, habe er ja auch nicht gekannt.
«Und wenn diese Halbstarken um den Zierpass, oder wie der Schnösel heisst, auch noch die Unverschämtheit besitzen, von uns Reparationen zu fordern, dann kann ich bloss sagen: Wir sind doch nicht die Zahlmeister Europas!», grantelt CSU-Gastredner Seehofer, mit seinem Hofbräuhausduktus heimelige bajuwarische Barockstimmung im eher kargen Preussen verströmend. «Die sollen doch erst mal ihr Hemd in die Hose stecken, diese Eseltreiber!» – Oder nach Russland gehen.
«Bloss weil die Waffen-SS da unten ein paar Partisanen abgeknipst hat gleich Reparationen? Da sieht man doch, was für Weicheier diese Griechen sind», bringt ein CDU-Verteidigungsexperte das gesunde Volksempfinden auf den Punkt.
Der endgültigen Lösung der Griechenlandfrage nachspürend, würde die «Bild»-Zeitung fragen:
?? Unterscheidet sich «Geld nach Griechenland pumpen» von «Eulen nach Athen tragen»?
Anders das «Neue Deutschland»:
? Könnte man auch radikal anderer Meinung zu dem sich als «europäisches Verantwortungsbewusstsein» tarnenden deutschen Neoliberalismus sein?
Etwa in der Art, wie kürzlich auf den Strassen Frankfurts vorgetragen.