SVP forciert parteiinterne Alphabetisierungskampagne

SVP forciert parteiinterne Alphabetisierungskampagne

Mit einem medialen Paukenschlag sondergleichen hat sich die SVP am 20. November im Berner Bundeshaus zurückgemeldet. Halten Sie sich fest, so etwas hat die Welt noch nicht gesehen: Die Blocherpartei lässt wieder einmal keinen Stein auf dem anderen und nominiert auf einen(!) Schlag drei(!!!) valable Kandidaten für die Bundesratswahlen am 9. Dezember.

Und jeder von diesen drei tollen Typen kann sogar eine Fremdsprache sprechen. Genau genommen ist die Sprache, die er spricht, für ihn selbst natürlich KEINE Fremdsprache – hoffentlich. Aber für die anderen Landesteile! Vielleicht können unsere drei Super-Bundesratskandidaten diese Sprachen nicht nur sprechen, falls ihnen die Parteileitung kurzfristig und auf Widerruf mal erlaubt, dies zu tun, sondern sogar auch schreiben? Zumindest einer von ihnen sogar ohne fremde Einhilfen – Senkrechtstarter Thomas Aeschi. Wer ist eigentlich diese Lichtgestalt, der gemäss SVP noch nicht einmal der Nobelpreisträger Albert Einstein das Zuger Kirschwasser hätte reichen können?

Simply simpler

Was die Schweizerische Volkspartei seit jeher als ihr Alleinstellungsmerkmal anpreist – neudeutsch: «USP = Unique Selling Proposition» – und was den Unterschied zu anderen Parteien ausmacht, das ist die bemerkenswerte Schlichtheit im Geiste ihrer Anhänger. Was sich im Berufs- und Privatleben erfahrungsgemäss als eher hinderlich erweisen kann, nämlich strohdoof zu sein, in der Blocherpartei wurde es stets zu einer USP-Tugend hochgejubelt – je weniger einer in der Birne hat, desto besser ists fürs Vaterland. Auf SVP-Parteitagen wird dieses eingängige Mantra so lange monoton mit ohrenbetäubendem Kuhglockengeläut, dem im ländlichen Helvetien beliebten «Trychlen», untermalt, bis es auch der einfältigste Senn und seine Tuntschi kapiert haben: «A simple message for simple people.»

Dass inzwischen die Welt immer komplizierter wurde und einfache Lösungen eigentlich gar nicht mehr funktionieren – falls sie dies ohnehin jemals getan haben –, das focht die SVP-Spitze in ihrer überschaubar gestalteten Heidi-Welt noch nie an: «Blöd is beautiful!»

Nichts ist wie vorher

Aber am 20. November 2015 hat sich all dies schlagartig geändert. Wir erinnern uns kurz, was der Auslöser war. Es gab da mal einen gewissen Christoph Blocher in Zürich. Der wäre ums Verrecken gern ein bedeutender Mann geworden. Darum kaufte er sich eine politische Partei und liess sich mit deren Unterstützung in den Bundesrat wählen. Da liess er es so richtig krachen. Dann wollte er sich krachend wiederwählen lassen. Dieser Schuss ging allerdings voll in den Ofen usw. usw. – und Blocher wurde schier zum Rumpelstilzchen, weil er sich so grauenhaft verkalkuliert hatte.

Und jetzt kommt der 20. November 2015 mit der späten Rache des Herrn Blocher ins Spiel.

Der SVP-Fraktionsvorsitzende, der Fallschirmgrenadier Amstutz, verkündet mit grosser Wichtigkeitsmine, wen Blocher zum Sieger der SVP Hunger Games ernannt hat:

  1. Guy Parmelin, VD,
  2. Norman Gobbi, TI,
  3. Thomas Aeschi, ZG.

And the winner is?

Kommen wir nun zur Bedeutung der einzelnen Herren und ihren Chancen, gewählt zu werden:

  1. Parmelin, vigneron vaudois: Wir schätzen unsere Waadtländer Freunde ganz besonders, wenn sie uns in ihren gemütlichen Carnotzets ihre hervorragenden Weine kredenzen. Aber was will dieser Parmelin denn in Bern, wo es kaum Chasselas oder sonst was Trinkbares gibt? Egal, wird nicht gewählt!

Nächster: N. Gobbi, last minute SVP-Neuzugang, Ticino: Ausländerspezialist, mag keine «Neger» in Eishockeymannschaften und keine Sinti und Roma in CH-Autobahnraststätten, wo sie sich «wie Tiere benehmen». Wählbar? Für die SVP allemal.

And now, Ladies & Gentlemen, we proudly present: Mr. Thomas Aeschi from the Swiss Train Canton. Aeschi, das ist ein Überflieger, der – hört! hört! – sogar in Harvard studiert hat: «Donnerschlag, Sie sehen uns schwer beeindruckt, Herr Oberleutnant!»

Die SVP scheint es ausnahmsweise nicht zu stören, dass der Aeschi einer ist, der schon mal eine Universität von innen gesehen hat. Ist bei denen ja eher selten, oder genauer gesagt, sie fliegen schneller aus Unis raus, als sie reingekommen sind. Wie dies dem streitsüchtigen Christoph Mörgeli kürzlich zustiess, sodass er bei Papi Blocher um einen neuen Job nachsuchen musste. Ist das nicht etwas blamabel, Herr Professor?

Und wie könnte man denn Aeschi sinnvoll einsetzen, falls der Pharisäer Darbellay und der Genosse Levrat der SVP am 9. Dezember wieder mal die Tour vermasseln und beispielsweise Toni the Farmer in den Bundesrat wählen? Und Thomas Aeschi damit mangels bundesrätlichen Einkommens auf andere substanzielle Unterstützung angewiesen wäre? Dann könnte doch der Herr Chefakademiker und intellektuelle Hoffnungsträger Aeschi als temporär angestellter Hauslehrer die Pfeifen von der SVP-Fraktion alphabetisieren. Das wäre für die Damen und Herren vom vaterländischen Flügel des Parlaments mal ein echter Abenteuertrip in die schillernde Welt der Zivilisationstechniken.

© Jan Peters

 

 

 

Jan Peters

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