Kirche im Umbruch

Kirche im Umbruch

Selbst notorischen Ketzern kommen fast schon die Tränen, wenn sie sehen, wie es mit der Kirche und dem Glauben sukzessive bergab geht. Immer mehr ehemals Gläubige treten aus den Kirchen aus. Gottes Bodenpersonal predigt tauben Ohren – und dies vor leeren Kirchenbänken. Nachwuchs ist nirgends in Sicht. Die Jungen glauben weder an die Jungfrau Maria noch an Jesus von Nazareth, sondern an Konsum, Work-Life-Balance, Zalando und ‹soziale› Netzwerke.

Offensichtlich hat die Kirche nichts mehr im Angebot, womit sie einen Hund hinter dem Ofen hervorlocken könnte. Drohungen mit dem Antichristen, der ewigen Verdammnis und sonstige Ammenmärchen haben ihre Wirkung verloren. Seit es an jeder Strassenecke Crack, Heroin und Co. zu kaufen gibt, ist die Religion auch als ‹Opium fürs Volk› nicht mehr zu gebrauchen. Angst haben die Menschen nicht mehr vor dem Fegefeuer, vielmehr davor, dass das Internet ausfällt, ihr Handy geklaut wird oder die Bank ihre Kreditlinie zusammenstreicht. Es scheint an der Zeit, dass die Kirchen ihr Geschäftsmodell überdenken.

Antizyklisches Vorgehen

Vielleicht ist es grundsätzlich falsch, wenn die Kirche glaubt, irgendwelchen Modetrends nachlaufen zu müssen oder auf die Wiederkunft des Messias zu warten. Das macht das Volk der Juden schon sehr, sehr lange ohne den geringsten Erfolg. ‹Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!› – wie wär’s mit unerwarteten Alternativen? Gerade bei uns im Fricktal, wo Deutschland nur einen Steinwurf entfernt liegt, könnte ein Rückgriff auf bereits im grauer Vorzeit bewährte Praktiken zumindest die finanzielle Situation der Kirchen verbessern.

Auf die Menschen zugehen

Praktisch könnte sich das darin äussern, dass Vertreter der katholischen und reformierten Kirchen des Fricktals samstags über den Rhein nach Deutschland reisen. Auf den Parkplätzen von Hieber, Aldi, Lidl & Co. könnten sie Wagen mit Schweizer Nummernschildern, die dort in grosser Zahl anzutreffen sind, Flyer an die Windschutzscheibe heften: «Wir beten für Ihr Seelenheil – der Herr sei mit Ihnen, Ihrer Familie, Ihren Freunden, Ihren Nachbarn, Ihrem Gesinde und dergleichen. Nähere Informationen erhalten Sie an der Parkplatzausfahrt.»

Wenn das Geld im Kasten klingt, …

An der Parkplatzausfahrt stehen in Kutten des Franziskaner-Bettelordens gekleidete Gemeindemitglieder. Sie stoppen jedes Schweizer Fahrzeug. Sie warten, bis der Fahrer das Seitenfenster herunterlassen hat, dann fragen sie: «Schämen Sie sich eigentlich nicht, dem Schweizer Einzelhandel das Wasser abzugraben? Wie sollen denn unsere armen Schweizer Migros- und Coop-Kassiererinnen ihren Zweitwohnsitz in Gstaad finanzieren, wenn Sie Ihre Kohle den geldgierigen Sauschwaben in den Rachen werfen?» – Den zerknirschten Sündern werden dann gegen Cash (KEINE Kreditkarten) Ablasszettel verkauft, die wiederum bei der Wohngemeinde eingereicht und bei der Kirchensteuer geltend gemacht werden können.

… die Seele aus dem Fegefeuer springt

Für besonders hartnäckige Sünder, denen mit Ablasszetteln allein die ewige Verdammnis nicht erspart werden kann, sollten die Pfarrer des unteren Fricktal ganz besondere Events anbieten.

Wir sprechen hier von Geisslerzügen. Um die bösen Geister zu bannen und Schlimmes, wie beispielsweise die Pest, von der Menschheit abzuwenden, waren diese Züge in früheren Zeiten so verbreitet wie heutzutage die Street Parades. Diese Geisslerzüge liessen sich im Hier und Heute und zumindest im unteren Fricktal dergestalt wiederbeleben, dass sich der örtliche Pfarrherr mit dem Geisslerhut auf dem Kopf höchstpersönlich an die Spitze des Zuges setzt und sich im Tempo der Echternacher Springprozession auf den langen Pfad der Reue begibt. Die ihm folgenden bussfertigen Gemeindemitglieder peitschen sich den Rücken blutig und deklamieren dabei: NUN HEBET AUF EURE ARME, DASS GOTT SICH ÜBER UNS ERBARME! – NUN HEBET AUF EURE HÄNDE, DASS GOTT DIES GROSSE ELEND WENDE!

Hopfen und Malz – Gott erhalt’s

Wenn der Zug nach 33½ Tagen das Zähringer-Städtchen Rheinfelden bei Sonnenuntergang erreicht hat, führt der Seelsorger den Zug der Büsser in Richtung Feldschlösschen-Brauerei, die sich in einem schlossartigen Gebäudekomplex befindet. Der Knecht Gottes erklimmt die Zinnen und intoniert als Kantor einen Wechselgesang in der Art der Gregorianik. Der Kantor: O DU EDLER GERSTENSAFT; die Flagellanten: WIE STÄRKST DU UNSERE GLIEDER; der Kantor: UND WO DER DRECK AM TIEFSTEN IST; die Flagellanten: DA WIRFST DU UNS OFT NIEDER!

Abendmahl nach Brauherrenart

Der Himmelskomiker steigt von den Zinnen wieder herab auf die Erde, er und die Geissler umarmen sich brüderlich. Gemeinsam ziehen sie ins Sudhaus ein, wo sie vom Braumeister mit einem zünftigen «O’zapft is’!» begrüsst werden. Die Lokalpresse wird später berichten: «Bei knusprigem Spanferkel vom Grill mit Speck-Krautsalat, hausgemachten Kartoffelklössen sowie schäumendem Starkbier und urwüchsigem bayerischen Gebirgsenzian verging die Zeit wie im Fluge. Bis tief in die Nacht hinein hallten die Trinksprüche und fröhlichen Trinklieder durch das untere Fricktal in Richtung Basel.»  

  • Die Vorzüge dieser aufsuchenden Seelsorge werden vom Volk unmittelbar wahrgenommen, ohne dass es in die Kirchen laufen und sich die salbungsvollen Reden der Pfaffen anhören müsste.  

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