Aus meiner Nachbarschaft

Aus meiner Nachbarschaft

Verehrtes Publikum

Ein hochsensibler osteuropäischer Schriftsteller führte einst bittere Klage darüber, dass in seiner Behausung ein solcher Radau herrsche, dass er keinen klaren mehr Gedanken fassen könne: «Ich sitze in meinem Zimmer im Hauptquartier des Lärms der ganzen Wohnung. Alle Türen höre ich schlagen, durch ihren Lärm bleiben mir nur die Schritte der zwischen ihnen Laufenden erspart, selbst das Zuklappen der Herdtüre in der Küche höre ich. Der Vater durchbricht die Türen meines Zimmers und zieht im nachschleppenden Schlafrock durch, aus dem Ofen im Nebenzimmer wird die Asche gekratzt.»

Obwohl ich weder in Prag wohne noch Franz Kafka heisse, macht auch mich der Tumult im Umkreis meiner Wohnung langsam, aber sicher mürbe: Pünktlich um 6 Uhr ist Wecken; während er den Dieselmotor im Stand warmlaufen lässt, überprüft unser Nachbar kraftvoll, ob alle 9 Türen seines Wagens tatsächlich gut und sicher geschlossen sind. Um 7 Uhr fahren Gerüstbauer mit einem LKW vor, werfen aus 3 Metern Höhe Bretter, Stangen und sonstiges Gerümpel mit Donnergetöse vor unser Haus und beratschlagen dabei brüllend, wer von ihnen was wo wie zusammenschrauben solle, während man 10 Meter entfernt die Strasse mit Presslufthämmern aufzureissen beginnt…

Im Gartenbau ist der Trend unübersehbar, Pflanzen durch Steine zu ersetzen und entsprechende Gärten anzulegen. Mich erinnern diese Konstruktionen zwar eher an Artilleriekasematten der Maginot-Linie als an Grünoasen, aber das ist Ansichtssache. Der erste Schritt bei der Kreation eines solchen Gebildes besteht darin, dass ein Stosstrupp zum Äussersten entschlossener Landschaftsgärtner mit Bulldozern und Kettensägen anrückt und die Restvegetation niedermacht. Anschliessend wird die Fläche geschottert und mit senkrechten Geröllkäfigen gegen das feindliche Umland gesichert. Wenn alle Gartenbesitzer auf die Linie «Steingärten» einschwenken, sollte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn es mittelfristig nicht gelänge, unser Dorf in eine uneinnehmbare Fortifikation in der Art des elsässischen Neuf-Brisach umzugestalten!

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