Das universell anwendbare «Red Bull»-Prinzip

Das universell anwendbare «Red Bull»-Prinzip

Wenn Sie diesen Text lesen können, ist das schon einmal ein gutes Zeichen: Präsident Donald J. Trump hat die erste Regierungswoche tatsächlich überstanden, ohne einen Nuklearkrieg auszulösen.

Mister Donald Trump, soundsovielter Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika, hat mit Elefanten nicht nur eine dicke Haut, sondern auch das Verhalten in Porzellanläden und das Gedächtnis gemeinsam: Beide Arten von Trum­peltieren vergessen nie. Dass die kaiserlich japanische Luftwaffe am 7. Dezember 1941 in Pearl Harbor zahlreiche zum Teil noch recht brauchbare Schiffe ohne vorherige Einwilligung der US Navy auf Tauchstation schickte, obwohl die meisten von ihnen gar nicht als U-Boote vorgesehen waren, dafür schlug das US-Imperium jetzt zurück.

Als kleine Revanche für Pearl Harbor teilte Präsident Donald Trump dem Autobauer Toyota kürzlich in einem diplomatisch ausgewogen formulierten Tweet mit (Web-Übersetzung): «Wer, blutige Hölle, könnte sich kümmern geringer für japanische Reis Schüssel Autos als ich? Wer, Reich des Teufels, will treiben Japanisch-Karren in der Vereinte Länder? Nicht ich! Andere ebenso nicht! Toyota, beischlafe davon! Gott segne Amerika! Nicht Japan!» Wären die Japaner nicht so schrecklich kultiviert, sie könnten auf derselben Wellenlänge zurückfunken: «Wenn man keine Ahnung hat, Trump, einfach mal Fresse halten!»

Wir lassens krachen
Kennen Sie den «Red Bull Crashed Ice Challenge»? Hätte meine selige Grossmutter, die eine sehr weise Frau war, diese zerschmetterte Eisherausforderung roter Rindviecher noch erleben müssen, den Kopf hätte sie geschüttelt und bemerkt: «Wenns dem Esel zu wohl wird, begibt er sich aufs Eis!»

Die heutige Spassgeneration, die geschnallt hat, worauf es im Leben wirklich ankommt, und die längst nicht mehr so vergrämt wie meine Babuschka daherkommt, die sieht das naturgemäss komplett anders: Red-Bull-Veranstaltungen sind der ultimative Kick, der einem zeigt, dass man noch lebt. Natürliche Möglichkeiten, dies zu überprüfen, hat die Evolution uns Menschen leider nicht mit auf den Weg gegeben. Diese entwicklungsgeschichtliche Lücke haben die Neuen Medien gefüllt. Mittels Social Media können wir uns 24?/?7 davon überzeugen, dass wir nicht allein auf der Welt sind; irgendwelche Avatare sind immer online.

Hauptsache Spass
Auf alle Daseinsbereiche haben unsere neuen Techniken sowie Sicht- und Verhaltensweisen Auswirkungen. Galt gestern unbestritten, dass man erst einmal hart arbeiten müsse, bevor man sich etwas gönnen könne, so wird heute davon ausgegangen, dass man sich zunächst einmal alles leisten sollte, bevor man in die Ferien fährt. Aber nicht nur in den Fun-Sektoren des Lebens, sondern auch in der Politik ist ein Paradigmenwechsel unübersehbar: War Politik früher eine Domäne der Eliten, so ist sie heute die Kernkompetenz des Volkes. «Panem et circenses» sprachen die Römer – «Wir sind das Volk!», schreit das Volk.

Es ist gut, dass das Volk dies schreit. Denn sonst wüsste ja niemand, dass das Volk «das Volk» ist. Und nicht etwa irgendeine betrügerische Einzelperson, die weiter nichts im Sinn hat, als die Macht an sich zu reis­sen. Darum muss das Volk «das Volk» bleiben. Unter allen Umständen. Dies ist eine unverhandel­­bare Grundposition, denn wenn das Volk nicht mehr «das Volk» wäre – wer denn dann? Sie ahnen bereits, welch dramatische Dialektik hier lauert.

Das Volk ist das Volk
Es ist ja an und für sich auch gar nichts Verwerfliches, «das Volk» zu sein; dafür muss sich wirklich niemand schämen. Es gibt viel Schlimmeres, als «das Volk» zu sein. Zum Beispiel, aus einem fremden Land zu kommen und Ausländer zu sein. Das will kein Volk der Welt. Schlimm ist es nach Volkes Meinung auch, dem Establishment anzugehören. Zwar weiss niemand, wer oder was «das Establishment» sein könnte; für jeden im Volk wäre es aber zweifellos megaschlimm, dem Establishment anzugehören; da ist man sich im Volk wegen der untrüglichen Intelligenz des Herzens absolut sicher.

Riskant wird es für ein Volk, wenn es glaubt, es brauche niemanden mehr, der es führt, weil es das selber könne. Genau in dieser Phase taucht stets jemand auf, der dem Volk sagt: «Ihr braucht keine Führung mehr; ihr habt ja jetzt mich. Früher hättet ihr mich zu eurem Führer ernannt, heute braucht ihr keinen Führer mehr; ihr habt ja jetzt mich. Und wir sind das Volk. Wisst ihr was? Wir wollen zusammen ein wenig Spass haben: Wir stürzen uns in die Eisröhre wie beim ?Red Bull Crashed Ice Challenge?. Mal sehen, wo wir ankommen werden.»

No risk, no fun
Wenn Formel-1-Pilot Max Verstappen mit seinem heulenden Red-Bull-Boliden auf dem Ardennenkurs von Spa-Francor­champs nach der atemberaubenden «Eau Rouge» mit 320 Kilometer in der Stunde direkt in den Himmel rast und dabei denkt: «Wenn ich mich nicht täusche, kommt jetzt gleich eine Linkskurve», dann könnte man zu solchen Kamikazeflügen dreierlei sagen:

1. ???Der Junge kann so etwas; der macht das ja nicht zum ersten Mal.
2.????Wenn es jetzt gleich kracht, erwischts hoffentlich nur ihn.
3.  ?Viel schlimmer kann es nicht mehr kommen!

Und was hat das mit Mister Donald Trump und «dem Volk» zu tun? Bei beiden kann man sich noch nicht einmal im Punkt 3 sicher sein.

Jan Peters

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