Solidarische Grussadresse von Jan Peters an das Friedensbündnis Goslar

Solidarische Grussadresse von Jan Peters an das Friedensbündnis Goslar

(Dieser Text wurde am 8. April in Goslar anlässlich der Abschlusskundgebung zum Ostermarsch 2023 öffentlich verlesen.)

Liebe Goslarer Friedensfreundinnen, liebe Goslarer Friedensfreunde

Derjenige, der Ihnen diese Zeilen aus Solidarität und Sympathie mit Ihrem Motto zum Ostermarsch 2023 «Kriege beenden – Frieden gewinnen» schreibt, lebt seit 35 Jahren in der Schweiz.

Geboren wurde er 1947 in Goslar, wo er bis 1967 lebte. Mit dem Salierkaiser Heinrich III., dessen Sarkophag in der Ulrichskapelle der Goslarer Kaiserpfalz steht, hat er eines gemeinsam: Sein Herz ist immer in Goslar geblieben. Darum ist es ihm ein Anliegen, Sie heute, wenn auch nur schriftlich, zu grüssen.

Diesen Wahl-Schweizer erfüllt es mit grossem Schrecken, wenn er sieht, was in der Ukraine abläuft. Und auch das, was in der jüngeren Zeit an Entwicklungen in Deutschland passiert ist und passiert.

Die deutsche Botschafterin in Kiew posiert für ein Foto mit einem «Kuschel-Leo», einem als Plüschtier nachgebildeten Kampfpanzer Leopard. Sie erklärt dieses seltsame Knuddeltier zu ihrem «neuesten Lieblingsspielzeug». In Talkshows wird von «unseren Leos» geschwärmt, als wären das so eine Art Mainzelmännchen oder Teletubbies.

Der Verfasser dieser Zeilen leistete vom 3. Juli 1967 bis zum 20. Dezember 1968 seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr in Lüneburg. Im August 1968 sass er mit seinen Kameraden bis an die Zähne bewaffnet auf Munitionskisten und wartete auf Einsatzbefehle. Die Rote Armee war gerade in die Tschechoslowakei einmarschiert und hatte den «Prager Frühling» beendet.

Einer von uns sagte: «Morgen sollen wir vielleicht auf Russen schiessen. Ich kenne die doch überhaupt nicht.» Und ein anderer sagte: «Wenn ich einen Russen erschiesse, werden seine Eltern um ihn weinen.» Und ein Dritter sagte: «Und wenn ein Russe mich erschiesst, werden meine Eltern um mich weinen.» Und ein Vierter sagte: «Wo sind eigentlich die Leute, die diesen ganzen Mist angezettelt haben? Wer hat überhaupt was davon?»

Als Schweizer lesen wir immer aufmerksam die Finanznachrichten. Es wird jetzt allgemein empfohlen, Aktien von Rheinmetall zu kaufen. Dieser «integrierte, internationale Technologiekonzern», wie er sich auf seiner Website nennt, macht gerade Umsatz- und Gewinnsprünge.

Womit wir wenigstens EINE mögliche Antwort auf die Frage hätten, die wir im August 1968 im Zusammenhang mit dem Einmarsch der Roten Armee in die Tschechoslowakei gestellt hatten – wem nützt all dies?

Sting hat mitten im Kalten Krieg einen Song mit der Zeile «Do the Russians love their children, too?» gesungen. Wer diese Frage nicht als rein rhetorische begreift, ist entweder strohdumm oder hundsgemein. Oder beides. Eltern in St. Petersburg lieben ihre Kinder genauso wie Eltern in Goslar-Ohlhof oder in Bern-Wankdorf. Wenn man sie aber gegeneinander aufhetzt und fanatisiert, dann verlieren sie ihre natürliche Menschenliebe und halten es für angemessen, sich gegenseitig umzubringen.

Und wenn das nukleare Höllenfeuer entfesselt wird, dann kann die Frau deutsche Aussenministerin in ihrem garantiert atombombensicheren Bunker wie ein trotziges Kind mit dem Fuss aufstampfen und schreien: «Der Putin hat angefangen!» – Und Putin kann in seinem Kremlbunker feststellen: «Irgendwie ist das jetzt blöd gelaufen.»

  • Und draussen wird nichts mehr sein, was man «Leben» nennen könnte!

Die einen verteidigen die westlichen Werte, die anderen das russische Mutterland. Und einige verdienen sich dabei eine goldene Nase.

Und zwischen diesen mit heldenhaften Worten und grossem Brimborium errichteten Fronten steht die Menschlichkeit, die unter die Räder kommt. Wann werden die Völker endlich begreifen, dass die hehren Sprüche, die man ihnen vorbetet, das Papier nicht wert sind, worauf sie gedruckt sind?

Wenn ich vor der Goslarer Kaiserpfalz stehe und Friedrich Barbarossa auf seinem Schlachtross betrachte, dann fällt mir das «Unternehmen Barbarossa» ein. Und wenn ich höre, dass wieder mit deutschen Kanonen auf Russen geschossen wird, dann frage ich mich, warum ich diesen hirnverbrannten Irrsinn noch erleben muss!

Liebe Goslarer Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, wenn Sie manchmal denken: «Ich schaffe das jetzt nicht mehr, gegen all diese Widerstände, diese Unterstellungen, diese Beleidigungen, diese Diffamierungen», dann setzen Sie sich in die an die 1000 Jahre alte Goslarer Neuwerkkirche und singen inbrünstig mit Martin Luther die Hymne der Reformation: «Und wenn die Welt voll Teufel wär’, es soll uns doch gelingen.»

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