Verschwörungstheorien im Praxistest

Verschwörungstheorien im Praxistest

Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, trat in der Schweiz kürzlich eine bedenkliche Situation auf: Ein mikroskopisches Virus war in das Land eingedrungen und hatte das Parlament in Schockstarre versetzt. Diese «ausserordentliche Lage» machte sich eine Gruppe skrupelloser Ganoven zunutze, indem sie eine Feme einberief, den welschen Briganten Alain Berset zu ihrem Rädelsführer wählte und die Bevölkerung zu schikanieren begann, wie es die Eidgenossenschaft seit der unsäglichen Tyrannei des Habsburger Fronvogts Gessler nicht mehr gekannt hatte.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurde das Standrecht verhängt, eilends einberufene Kriegsgerichte nahmen ihre Tätigkeit auf. Wie ernst es dem «Bundesrat» – so nannten sich die heuchlerischen Kanaillen – mit der Entmachtung und Bevormundung des Volkes war, zeigte sich exemplarisch daran, dass eine der ersten Massnahmen darin bestand, dem Parlament unter Androhung drakonischer Strafen zu verbieten, seine turnusgemässen Sitzungen – in der Schweiz «Sessionen» genannt – im Berner Bundeshaus abzuhalten. Räuberhauptmann Berset über die Volksvertretung: «Solche Penner können wir hier nicht brauchen; sollen sich diese Losertypen doch in Appenzell in einen Feuerwehrgeräteschuppen einmieten!»

Spass muss sein

An dieser Stelle verzeichnete das geheime Bundesratsprotokoll, das uns von einem unserer Berner Maulwürfe zugespielt wurde, «sich ausbreitende allgemeine Erheiterung. BR Cassis stösst BR Maurer feixend in die Rippen; dieser grinsend zu BR Amherd: Leck mich, du Wachtel! BR Amherd verlässt daraufhin wutschnaubend den Raum und murmelt: blöde Siech! BR Sommaruga fragt schüchtern, ob sie ausnahmsweise während des Unterrichts austreten dürfe: Antrag wird einstimmig abgelehnt. BR Keller-Sutter, sich die Nägel lackierend, zu BR Parmelin: Wieviel Grad Oechsle haben wir heute, Monsieur le vigneron en chef? BR Parmelin: Isch demonstrier Sie gern dies. Der Bundesrat beendet die Sitzung vorzeitig und disloziert zur Chasselas-Verkostung in den Carnotzet vaudois im Bundeshauskeller.»

Exodus

Nachdem der National- und Ständerat von der dunklen Seite der Macht vor die Tür gesetzt worden waren, war guter Rat zunächst teuer. Bis sich dann dankenswerterweise die Berner Messeorganisation Bernexpo, die nach eigener Aussage «Inhalte, Marken und Ideen effektiv in Szene setzt», bereit erklärte, dem vertriebenen Parlament gegen ein geringes Entgelt ein vorübergehendes Obdach zu gewähren. Ob dieses ungewohnte Ambiente dazu beitragen konnte, die Fantasie und Inspiration unserer Volksvertretung zu beflügeln, wollen wir an einigen handverlesenen Themen untersuchen, die während der Sommersession der Räte in der Halle der Bernexpo abgearbeitet wurden.

Aufgrund des beachtlichen Umfangs der Traktandenliste sahen wir uns gezwungen, eine Auswahl zu treffen. Um dennoch fundiert berichten zu können, haben wir einige Themen massiv gekürzt, andere ausführlich dargestellt, Wesentliches weggelassen und/oder verdreht, Unwesentliches aufgebauscht, unsere subjektive Meinung als unumstössliche Wahrheit ausgegeben – in einem Wort: einfach nur das gemacht, was Sie von den Medien tagaus, tagein gewohnt sind.

Des Lebens ganze Fülle

Beginnen wir mit Thema Nr. 1, SEX: Endlich gibt es die Ehe für alle, Frau darf Frau heiraten. Das grösste Problem, die Samenspende für lesbische Partnerschaften, wurde gelöst: In gleichgeschlechtlichen Paaren dürfen sich Frauen ab sofort befruchten lassen. Die auf Wahrung der göttlichen Ordnung spezialisierte NZZ im Mai 2019: «Was kommt als Nächstes?» Wenn alles funktioniert, lieber Zürcher Generalanzeiger, vermutlich ein Baby.

Kommen wir nun zum Geld: Die Überschüsse der Nationalbank könnten einerseits dem Schuldenabbau, andererseits der AHV zugutekommen. Dazu Philipp Hildebrand, ehemaliger SNB-Banker, derzeitiger BlackRock-Vizepräsident: «Bei uns finden Vermögen einen sicheren Hafen – unabhängig von ihrer Herkunft.» Die FDP denkt darüber nach.

Bleiben wir beim Geld: Aufgrund der kürzlich aufgetretenen pekuniären Probleme beim Lockdown wurde umfangreiche staatliche Unterstützung der Wirtschaft nötig. Wie bekommt der Staat sein Geld wieder zurück? Die Wirtschaft: «Welches Geld?»

Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral: Die von der Linken lancierte Konzernverantwortungsinitiative hält der Ständerat für abwegig, Schweizer Unternehmen müssen nicht für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden haften, die ihre Tochtergesellschaften im Ausland anrichten. Sollen diese Ausländer doch zusehen, wie sie mit kriminellen Ausländern klarkommen!

Zivildienst vs. Wehrdienst: Einen Mordsschlag ins Kontor hatte die Stahlhelmfraktion zu verzeichnen: Nationalrat weigert sich, Zivildienst unattraktiver zu gestalten. Schweizerischer Zivildienstverband: «Endlich kommen die zur Vernunft!»; Schweizerische Offiziersgesellschaft: «Haben die Rohrkrepierer noch alle Handgranaten im Spind?»

Terrorismus: Es wird beschlossen, den Erwerb von Dünger und anderen brisanten Stoffen, aus denen Anarchisten bevorzugt Sprengmittel basteln, zu erschweren. Damit wird die Kantonspolizei in die Lage versetzt, zuverlässig zu verhindern, dass sich frustrierte Landwirte in Migros-Klubschulen zu Bombenbauern umschulen lassen.

Lernerfolgskontrolle

Am Ende des Artikels wollen wir Ihnen, sehr verehrte Leserschaft, Gelegenheit geben, uns zu demonstrieren, was Sie aus diesem abgründigen Text gelernt haben: Wenden Sie Karl Valentins Aussage, dass Kunst schön sei, aber viel Arbeit mache, auf die schweizerische Demokratie an. Sie dürfen dabei im Bonmot des bekannten Münchner Volkssängers nur ein einziges Substantiv ändern. Welches wäre das?

 

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