Buch bestellenSEBASTIAN

Abenteuerliches aus vergangenen Zeiten
Book on Demand. 2000.
ISBN 3-8311-0871-4

Sebastian wächst auf in einer tausendjährigen niedersächsischen Kleinstadt, behütet von behäbigen mittelalterlichen Türmen und wehrhaften Stadtmauern. Einer Stadt, in der einst Kaiser in ihrer stolzen Pfalz residierten und Reichstage abgehalten wurden, die den Lauf der Weltgeschichte beeinflussten. Da Sebastian die Welt der Erwachsenen sehr nüchtern und phantasiearm vorkommt, erschafft sich das Kind seine eigene: diejenige der Abenteuer, Fabelwesen und Helden.

SEBASTIAN
Abenteuerliches aus vergangenen Zeiten

TEXTAUSZUG

Direkt außerhalb des Grundstücks, hinter dem Lager, verliefen auf einem Bahndamm Gleise, in denen hoch mit Eisenerz befrachtete Güterzüge asthmatisch schnaufende Dampflokomotiven bis zum letzten forderten. Die Maschinisten, welche die feuer-, dampf- und rauchspeienden Ungetüme souverän bedienten, wurden Sebastians erste Helden.

Oft stand er im Garten, wartete mit großen Augen und heißen Händen auf die längsten dieser Züge, die zu Berge fuhren, und kannte bald alle Fahrpläne auswendig. Schon von weitem sah er die pechschwarzen Zugmaschinen die Wolken ihres heißen Atems gegen die des Himmels schleudern, spürte, wie der Boden unter ihm immer stärker zu vibrieren begann, und fühlte, daß sein kleines Herz wie wild versuchte, in den Rhythmus einzufallen, der stählern-unaufhaltsam auf ihn zugestampft kam.

Das war ganz unübertrefflich aufregend und verlieh ihm für kurze Zeit die Kraft, die seinem schmächtigen Körper fehlte, weshalb er sich mitunter, ganz für sich, verschwiegen schämte. Beim Näherkommen der dreigeäugten Kesselwagen konnte Sebastian das rot-silbrig zischend-rasende Getümmel von Gestänge und Räderwerk unterscheiden, das die Brachialgewalt der Dampfmaschine den Schienen aufzwang und für Vortrieb sorgte.

Sebastian vermochte es fast nicht zu begreifen, daß solcherlei Inferno von Menschen ausgedacht und kontrollierbar war; und doch, ersichtlich war es so: Zu Sebastians größter Genugtuung – denn von eines Menschseins Wert ruhte schon ungeweckte Erkenntnis in ihm, trotz seiner Jugend – fehlten niemals die beiden rußgeschwärzten Beherrscher der wutentbrannten Eisenkonstruktion.

Lässig den rechten Ellbogen auf die Brüstung gelegt, den Blick nach vorn, in Richtung Fahrtziel gerichtet, den linken Arm im Dunkel des Steuerstandes, der Maschine über unsichtbare Armaturen die nötigen Befehle erteilend – so glitt, unerreichbar über dem staunenden Sebastian, der Lokomotivführer vorbei, den Sebastian zaghaft grüßte, gleichwohl er wußte, daß dieser viel zu Wichtiges vollbringen mußte, als einen kleinen Jungen wie ihn zu beachten.

Einmal erwiderte aber doch einer der Kommandeure dieser Höllenmaschinen seinen Gruß – indem er die Dampffeife einen schrillen Pfiff zu Sebastians Ehren ausstoßen ließ. Da hüpfte Sebastians Herz in seiner engen Brust wie ein außer Rand und Band geratener Gummiball.

Hinter dem Lokomotivführer, ständig zwischen Tender und Maschinenwagen in Bewegung, sah Sebastian den Heizer, der ohne Unterlaß das glühende Maul des Monstrums mit ihm gemäßen Opfergaben zu stopfen versuchte – und seine Arbeit nie beendete.

Das waren furchterregende Männer – mit freien, schwarz glänzenden, muskelstrotzenden Oberkörpern turnten sie behende aus dem Kommandostand nach hinten, in ihren Pranken Schaufeln von der Größe einer Schubkarre haltend, schmetterten das krachende Schaufelblatt in die grob gebrochenen Kohlenstücke, wandten sich, Pirouetten drehend, die ihrem herkulischen Körperbau gar nicht zuzutrauen gewesen wären, um, und, nachdem sie drei tänzerische Schritte vollführt hatten, deren Eleganz bei einigen der schwebenden Leichtfüßigkeit einer Ballerina in nichts nachstand, schleuderten sie das Brennmaterial in das unersättlich-gierig schlingende Feuerloch, dessen tosendem Glühen und Prasseln sie unbeeindruckt widerstanden.

Es mußten ganz sicher Titanen sein, übermenschliche Kreaturen, die den Olympiern das Feuer abgetrotzt hatten und es nun in ihrem eisernen Gefängnis am Leben hielten, damit es ihnen diente – so malte es sich ein entrückter Sebastian aus, der mit hingerissenem Mienenspiel ihren infernalischen Ritt auf dem flammenden Eisenroß verfolgte und in seine kleine Seele aufsaugte.

SEBASTIAN
Abenteuerliches aus vergangenen Zeiten

REZENSIONEN

Lieber Sebastian,

vielen Dank, dass Du mich an Deinen großen und kleinen Erlebnissen hast teilhaben lassen. So herzlich gelacht wie bei der Lektüre dieses Buches habe ich schon lange nicht mehr. Wobei – an so machen Stellen musste ich mir auch eine kleine Träne aus den Augenwinkeln wischen.

Oh, ich glaube, lieber Sebastian, ich müsste Sie besser siezen – inzwischen haben Sie ja schon das Abitur hinter sich und sind schon richtig erwachsen geworden.

Ich drücke Ihnen auf jeden Fall ganz fest die Daumen für die nächsten großen Schritte auf Ihrem Lebensweg und hoffe, dass das Leben noch viele gute und schöne Erlebnisse für Sie bereit hält.

Hallo Herr Peters,
ganz großes Lob an Sie! Ihr Lebenswerk hat mich sehr bewegt und restlos begeistert.

Die Geschichten aus Ihrem Leben haben mich auf ganz besonders wundervolle Weise durch meinen Urlaub hindurch begleitet. Habe ich jedes Kapitel doch sehr genossen und mir Seite für Seite gut eingeteilt…

Ich habe mit Sebastian mit-gelebt, mich mit-gefreut und mit-gebibbert. Er war mir richtig nah und ist mir von Kapitel zu Kapitel immer bekannter, sympathischer und wichtiger geworden.

Sei es beim Weg zum Kindergarten durch den Köppelsbleek, sei es bei der ersten Tanzstunde oder bei seinem Aufenthalt in England.

Als ich Ihr Buch dann zugeklappt habe, hat mir ganz schön was gefehlt.

Gibt es denn eine Fortsetzung, einen Teil 2 von „Sebastian“?

Ich würde so gerne wissen, wie es mit dem großen-kleinen Sebastian nun noch weitergegangen ist!!!

Herzliche Grüße von Ihrem allergrößten Fan!

Claudia, Neu-Ulm

Begegnungen im Fricktal:
Jan Peters, Schriftsteller, Kaiseraugst

«Bücher schreiben ist das grösste Abenteuer»

Als eines der schönsten Ereignisse in seinem Leben bezeichnet Jan Peters jenen Märztag des Jahres 2001, als er im Rathaus von Goslar – auf Einladung des Oberbürgermeisters – aus seinem letzten Buch, «Sebastian», las. Nie hätte er gedacht, dass er in seiner Geburtsstadt in Niedersachsen solch grosse Ehre erfahren würde. «Es war ein merkwürdiges, schönes Gefühl. Seither habe ich eine neue, besondere Beziehung zu Goslar.»

Erfahrungen verarbeitet
Der seit 1991 in Kaiseraugst lebende Peters hat bis heute drei Bücher veröffentlicht: neben «Sebastian» ist es die Hommage an eine seiner Lieblingsstädte, «Frankfurt», sowie der autobiografische Roman «Tief im Norden». Wie kam er zum Schreiben? Aus Leidenschaft oder als Freizeitbeschäftigung? «Weder das eine noch das andere.» Für jedes Buch gebe es andere Gründe, erklärt er mit ruhiger Stimme. «Bücher zu schreiben ist das allergrösste Abenteuer überhaupt.» Sein erstes Buch, «Tief im Norden», entstand vor sechs Jahren. Es handelt von einem Pädagogen, der zu Beginn der 80er Jahre in Deutschlands Norden gerät und dort «Enge, Verfinsterung und Kälte» erfährt. Es ist die Geschichte von Studienrat Peters selber, welcher erst Jahre später den Drang spürte, «sich darüber Rechenschaft abzulegen, was damals eigentlich passiert war». Ja, bestätigt er, es ging ihm darum, schwierige Erfahrungen zu verarbeiten. Was er in diesem Zusammenhang gar nicht mag, ist der Begriff «Schreiben als Therapie».

Noch ein weiteres Mal war Jan Peters als Lehrer tätig: in Basel, in der Erwachsenenbildung, nachdem er 1988 zusammen mit seiner aus der Romandie stammenden Frau Paule in die Schweiz gezogen war. «Das machte mir sehr viel Spass, denn ich musste mich nicht ständig mit den für mich äusserst peinlichen Disziplinfragen auseinander setzen.» Die Erwachsenen hätten gewusst, dass sie alle für sich selber lernten.

In die Wiege gelegte Sprache
Im Gespräch mit Jan Peters fällt auf, dass er sehr behutsam mit der Sprache umgeht. Er formuliert seine Sätze sorgfältig und überlegt, manchmal mit einem Anflug von Sarkasmus oder mit ironischem Unterton. «Ich liebe die deutsche Sprache überaus.» Diese Liebe habe er neben sich in der Wiege vorgefunden, meint er lachend.

Auch im jetzigen Beruf gehört er zur schreibenden Gilde. Bei der Waldenburger Institut Straumann AG ist er als Redaktor und neuerdings als Leiter «Corporate Editing» unter anderem für eine Kunden- sowie eine Mitarbeiterzeitschrift zuständig. Nach Kaiseraugst verschlug es Peters und seine Frau übrigens eher zufällig. «Hier fanden wir eine wunderschöne Wohnung. Wir kamen aber ganz sicher nicht wegen des Steuerfusses.» Besonders gut gefällt ihnen, dass in Kaiseraugst Menschen aus 48 Nationen vertreten sind.

In den letzten Jahren hat sich Jan Peters auch politisch engagiert. Nach seiner Einbürgerung als Schweizer im Jahre 1995 war er aktives Mitglied, zunächst bei der SP des Kantons Aargau, später als Präsident der Bezirkspartei Rheinfelden sowie im Vorstand der Ortspartei Kaiseraugst. Politisches Engagement sei für ihn selbstverständlich. Er sei schliesslich ein alter 68er, habe in Frankfurt während des Studiums die Zeiten des Widerstandes und der Häuserbesetzungen mit Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit miterlebt. «Das hat mich geprägt.» Als Schlüsselerlebnis von damals bezeichnet Peters Willy Brandts Kniefall im Warschauer Ghetto.

Bleibt die Frage nach dem nächsten Projekt. Er plane, so verrät Jan Peters, eine Sammlung mit Kurzgeschichten. «Es ist aber alles noch unausgegoren. Irgendwann erwache ich dann wieder mitten in der Nacht und spüre, dass es jetzt wieder Zeit ist zu schreiben», meint er lachend. Oder wie er an anderer Stelle festhält: «Es scheint mir offensichtlich, dass hinter jedem sichtbaren Wort ein weiteres lauert.»

Madlen Blösch
© 2001 Basler Zeitung

Ein Schreiber als Erzähler

Von Jürgen W. Niehoff
Karben, 9. November 2002.

Zum zweiten Mal bereits stellte sich in diesen Tagen der seit einiger Zeit in der Schweiz lebende Schriftsteller Jan Peters den kritischen Fragen der Schüler des Karbener Kurt-Schumacher Gymnasiums. Zuvor hatten sich die beiden Oberstufenklassen 11a und 11b unter der Leitung ihres Deutschlehrers Holger Gronau eingehend mit seinem zum Teil autobiografischen Roman «Sebastian – Abenteuerliches aus vergangenen Zeiten» befasst.

Im abzuhandelnden Themenbereich «Jugendliche in der Entwicklung» war Gronau vor einiger Zeit auf den Text seines Freundes aus Jugendzeiten gestoßen und hatte bereits im letzten Jahr das Experiment gewagt, den Roman eines lebenden Autoren anstelle von Goethes «Die Leiden des jungen Werther» mit den Schülern zu behandeln. «Ich habe auf den Werther verzichtet, weil ich die Entwicklung von Jugendlichen in der Literatur einmal anders darstellen wollte und vor allem, weil ich den Schülern anschließend die Möglichkeit bieten kann, ihn selbst zu befragen,» erläuterte der Deutschlehrer sein Experiment.

Jan Peters las aber nicht aus seinem Roman, sondern er versuchte, anhand einiger kurzer Passagen aus seinem neusten Werk, den Schülern die Motivation und das Handwerkliche seines Schreibens zu erklären. «Kein Mensch fragt einen Elektriker, wann er zum ersten Mal die außergewöhnliche Berufung gespürt habe, die allgewaltige Elektrizität zu seinem Diener zu machen», so der 55-Jahre alte gebürtige Goslarer. «Uns Schriftsteller malträtiert man dagegen ständig mit Fragen, wann bei uns die Erkenntnis des Schreibens gekommen sei, woher die Ideen stammten und warum wir so und nicht anders schreiben.»

Seine Motivation zum Schreiben – immerhin hat er erst 1995 begonnen – lässt er die Mutter seines Romanhelden Sebastian erklären: «Junge, wir sind nicht auf der Welt, um uns zu amüsieren. Ziel des Menschen ist es, sich zu entwickeln». Die Frage nach dem Sinn seiner Bücher, beantwortet Peters mit einem Zitat seines Lieblingsdichters Heinrich Heine: «Ich weiß nicht, was soll es bedeuten. Bedeutung erlangen Texte bei der Leserschaft. Oder auch nicht.» Die Ideen zum Schreiben kämen ihm im Alltag. Die Romanfiguren würden später in den Erzählungen von selbst Gestalt annehmen.

Aber das wäre nur erst einmal das «grobe Rohmaterial aus dem Steinbruch des Lebens und seiner Eindrücke und Erinnerungen», dazukommen müsste dann noch eine ganze Menge Handwerkliches, damit das Ganze dann druckreif würde. Auf die Frage, ob man das Schreiben erlernen könne, antwortete er: «Das Formale einer Geschichte ist methodisch und kann daher reproduzierbar hergestellt werden. Aber die Originalität von Einfällen, die ungewöhnliche Komposition von Gedanken unterstützt von der sprachlichen Finesse, das alles kann man nicht erlernen.»

Und später erklärt er, dass es gerade auch zu seinem etwas gedrechselten Stil – in dem er, sehr zum Amüsement der Jugendlichen, auch spricht – passe, dass Realität und Träume sich bei ihm ineinander vermischten. Dies sei möglicherweise auch Ausfluss seiner Bewunderung für Sigmund Freud, dessen Werke er mehrfach gelesen habe. Auf die Frage nach einem eventuellen Vorbild antwortet der studierte Englisch- und Geographielehrer, dass er persönlich Probleme mit Vorbildern habe. «Wenn man sein Vorbild nicht erreicht, kann das leicht zu Frustration führen.» Trotzdem erführen bei ihm Heinrich Heine wegen seiner scharfen Ironie, Edgar Allan Poe wegen seiner abgründigen Verwegenheit und Franz Kafka wegen seines namenlosen Grauens besondere Zuneigung. Der letzten Frage der 17-jährigen Olga, ob er sich denn als Mensch besonders interessant fände, wich er geschickt aus: «Es gibt fünf Milliarden Menschen auf der Erde. Alle sind verschieden und trotzdem einander wesensverwandt. In meinen drei ersten Büchern habe ich immer, mal mehr mal weniger, etwas von mir oder über mich geschrieben. Im letzten Buch dagegen gar nicht mehr. Da das Interesse an mir nur zu drei Bücher gereicht hat, scheine ich kein außergewöhnlicher Mensch zu sein.»

Frankfurter Neue Presse

Kindheits- und Jugenderinnerungen von Jan Peters erschienen.
Goslarsche Zeitung vom 31.1.2001

GOSLAR. Das Goslar der Jahre 1947 bis 1967 ist der atmosphärisch dichte Rahmen für die Kindheits- und Jugenderinnerungen des Autors Jan Peters. Er legt keinen Heiligenschein um seine Vaterstadt, und trotzdem ist sein «Sebastian» eine Liebeserklärung an die alte Kaiserstadt.

Die individuellen Eindrücke des jungen Sebastian gewinnen ihr Gewicht aus der Sprache. Mit humorvoll-ironischer Prägung korrespondiert der Reichtum eindringlicher Bilder. Das liest sich amüsant, auch wenn der Autor vielleicht diesem oder jenem Goslarer aufs Hühnerauge tritt. «Sebastian Graukopf», wie sich der 54-jährige, jetzt in der Schweiz lebende Autor nennt, schafft eine Zeitbrücke, indem er gelegentlich mit seinem jugendlichen «Vorgänger» Zwiesprache hält.

Ältere Semester werden mit Vergnügen Sebastian in die Tanzstunde und zum Vorstellungsbesuch bei den Eltern der angebeteten Tanzstundendame begleiten.

«Regelmäßig zu Beginn des schönen Sommermonats Juli geriet die alte Stadt sozusagen aus allen Fugen, und eine Art Notstand brach aus, denn es galt, ein kolossales Fest zu feiern, das für manche Einwohner sogar das Weihnachtsfest in den Schatten zu stellen vermochte».

Einem Goslarer muss man nicht sagen, dass es sich ums Schützenfest handelte.

Bemerkenswert sind die Porträts, die Jan Peters zeichnet, von seinem pragmatischen Vater wie von einem Pastor, der dem Alten Testament entsprungen sein könnte. Es besteht kein Zweifel, dass damit Pastor Rüß von St. Stephani gemeint ist.

Gewiss ist der streitbare Lutheraner ebenso ein bisschen überzeichnet wie der «Panzerfaust-Studienrat», hinter dem sich Dr. Hans Gidion verbirgt, aber im Wesenskern sind sie genau wie Oberstudiendirektor «Adchen» Gerade glänzend getroffen.

Dr. Ursula Müller
© 2001 Goslarsche Zeitung

Aargauer Zeitung, 25. Januar 2001
Vom Verfallsdatum der Erinnerungen

Die Geschichte, die der graue Sebastian, der Erzähler des Romans, aufzuspinnen beginnt, ist auch die Geschichte des Schreibens und Verfassens. An deren Anfang steht seine Entscheidung, dem kleinen Jungen Sebastian, der er einmal gewesen ist, nachzuforschen – um herauszufinden, in welchem Verhältnis sich diese zwei Instanzen einer einzigen Person tatsächlich zueinander verhalten: Wie sehr war die Person des reflektierenden Verfassers bereits im kleinen Jungen konstituiert? Wie sehr macht dieser ihn auch heute noch aus? Oder kontroverser: Hat überhaupt eine Entwicklung stattgefunden? Diesen Fragen spürt der Roman in einem humorvollen Dialog zwischen Erzähler und Hauptfigur nach. Dabei biegt der kleine Junge immer wieder die Tatsachen zurecht, erflunkert sich eine Wahrheit, die ihm in seinen jugendlichen Kram passt. Der graue Sebastian ist auf Wahrheitssuche und rückt dem Buben dann und wann den Kopf zurecht. (Der Graue scheint jedoch weniger eine Instanz der Weisheit als der Toleranz; gerne erlernt er vom Jungen Dinge wieder, die ihm durch die Zeit abhanden gekommen sind.)

Als Leser hat man das Gefühl, etwas über die Mechanismen des Erinnerns zu erfahren: Im Widerstreit des Verdrängens mit der Wahrheitssuche – einer Selbstschau – wird schliesslich ein Konsens gefunden; Erinnerung und Selbstverständnis einer Person. «(…) ein Mädchen in buntem Kleid und mit goldenen Ohrringen tanzte lachend im Feuerschein. Wie aus Erz gegossen sah der Graue unverwandt in die Nacht hinaus. Das Mädchen indes sah er nicht mehr.» Hier wird feinsinnig herausgearbeitet, wie Erinnerungen einem Verfallsdatum gehorchen; sie verblassen und verschwinden schliesslich ganz.

Der biografische Rahmen des Romans ist so klar vorgegeben, doch «Sebastian» geht über das Private hinaus, führt ein in die Wirklichkeit einer Epoche, einer Mentalität, die sich durch ihre unmittelbare jüngste Geschichte und ihre geografische und politische Lage generiert.

Am Anfang seines Schreibens, sagt Jan Peters, stünden kaum strukturelle Überlegungen, die Konstruktion seiner Erzählungen sei wenig geplant. Es sei vielmehr eine umfassende Idee, danach arbeite er «im Freud’schen Sinne» assoziativ. «In dieser Phase funktioniere ich zunächst binär – wie ein Computer. Ich stelle fest, ob ein Stoff etwas hergeben könnte oder nicht: ein Ja oder ein Nein, nichts weiter. Dann trage ich ihn eine Weile mit mir herum, er gärt in meinem Kopf, bis ich die Zeit für reif empfinde, ihn mir vorzunehmen.»

Im Falle von «Sebastian» bestand die umfassende Grundidee darin, seine Heimatstadt und das Milieu, in dem er aufgewachsen ist, literarisch aufzugreifen. Die Kleinstadt Goslar war Sitz deutscher Kaiser, hat mittelalterliche Bauwerke und Geschichte. In ihr liefert in den Nachkriegsjahren des 2. Weltkrieges das engste familiäre Umfeld des Schriftstellers einen Reigen von Figuren, in deren Kreis sich eine Episode nach der anderen aneinander reiht. «Die Herkunftsgeschichten meiner Eltern sind sehr kontrastreich. Meine Mutter stammt von preussischen Beamten und Offizieren ab. Meine Assoziationen zu Preussen sind ambivalent: Protestantismus, Stechschritt und Nationalsozialismus, aber auch Glaubensfreiheit… Sie entstammt dem Bildungsbürgertum. Mein Vater dagegen war eher ein Pragmatiker, der eine strenge Reglementierung seines Lebens weniger geschätzt hätte. Er war sicher liberaler.» Dass aber gerade Personen aus der Generation seines Vaters in ihrer Funktion als Vorbilder oder Jugendhelden nicht ganz unproblematisch waren, bedingt schon die Rolle, die das Deutsche Reich im 2. Weltkrieg gespielt hat.

«In der Gymnasialzeit begannen wir, die Vergangenheit unserer Elterngeneration zu hinterfragen. Natürlich gab es auch Momente der Ablehnung.» Dass Peters ein Schriftsteller ist, der eine Vergangenheitsbewältigung betreibt, die radikal auf Beschönigung verzichtet, zeigte schon sein erster Roman «Tief im Norden», dessen Rezeption auch durch Ablehnung bestimmt war: «Viele Leute haben mich damals gefragt: Wie kann man bloss so über sein Land schreiben?»

Nichtsdestoweniger sind die Figuren in «Sebastian», gerade weil sie in ihrer privaten und nicht politischen Dimension gezeigt werden, liebenswert, bisweilen hat das Umfeld des Protagonisten etwas geradezu Idyllisches. Beschrieben wird schliesslich auch eine Zeit des Neuanfangs und der Umorientierung, des Aufschwungs und der technischen Neuerungen. Immer wieder ist im Roman eine gewisse Affinität zu Motorfahrzeugen festzustellen. «Mein Vater gehörte in seiner Jugend zu den ersten <Kraftfahrern>. Seine Liebe zu seinen Fahrzeugen wurde mir eingeimpft; ich leide an einem völlig anachronistischen Autofimmel. Allerdings nicht in einem Masse, das nicht zu verantworten wäre – schliesslich fahre ich einen Renault…» Auch Saint-Exupéry habe ja diese Mischung aus Faszination von Maschinen und Literarischem gehabt, so stehe er damit also nicht alleine, sagt Jan Peters und lacht. Geschwindigkeit sei für ihn deshalb von Interesse, weil dies ein Bereich sei, «wo die Dinge zu flimmern beginnen.» «Auf der Metaebene lässt sich das mit dem Unbewussten vergleichen, dessen Macht mich als Schriftsteller interessieren muss.»

Sebastian, die Hauptfigur, ist am Ende des Buches kein Junge mehr, er entflieht nach dem Abitur in die Adoleszenz und aus seiner Heimatstadt, wie es die meisten seiner Generation tun werden. Zurück lässt er eine Welt, die unberührt bleibt, sich kaum verändert. Die Figuren verharren in den gleichen Beschäftigungen und Redewendungen, während der Erzähler, der graue Sebastian, seine Unterlagen zusammensucht und sie in einer Schachtel verstaut. Die Vergangenheit wird weggelegt und der Deckel über ihr geschlossen.

Gerade in einer Zeit, in der auch in der Schweiz viel über Vergangenheitsbewältigung geredet wird, ist es von besonderem Interesse, Einblicke in die Mentalität der deutschen Nachkriegsgeneration zu erhalten, im Kleinen und Privaten, da, wo Menschen menschlich und verständlich bleiben und sich Antworten finden, die man im Abstraktum Geschichte oft vergeblich sucht.

Nico Markwalder

Frankfurter Neue Presse, 21. März 2002
In der Kindheit gab es Helden

«Es scheint mir offensichtlich, dass hinter jedem sichtbaren Wort ein weiteres lauert», sagt Jan Peters, für den das Bücherschreiben «das grösste Abenteuer meines Lebens» sei. Der Autor, 1947 im niedersächsischen Goslar geboren, nun in der Schweiz lebend, las für 23 Oberstufenschüler der Klasse 11b an der Kurt-Schumacher-Schule in Karben aus seinem neuesten Werk «Sebastian – Abenteuerliches aus vergangenen Zeiten». Das Buch war im Deutschunterricht besprochen worden. Der Kontakt kam über den Deutschlehrer der Klasse, Holger Gronau, einen Studienkollegen Peters’, zustande.

Die Schüler gaben dem Entwicklungsroman über eine Jugend in Goslar den Vorzug gegenüber dem Werk «Die neuen Leiden des jungen W.» von Ulrich Plenzdorf. Weiteres Kriterium für «Sebastian» sei gewesen, dass der Roman sich gut mit dem Stoffplan der Jahrgangsstufe vereinbaren lasse.

«Sebastian», das dritte Buch von Peters, das 2000 erschien, beschreibt die Kindheit und Jugend des Autors in Goslar, und zwar aus der Sicht des «jungen» und «alten» Sebastian. «Um das schreiben zu können, begab ich mich in das Archiv meiner Erinnerung. Jeder von uns hat eine gigantische Erinnerung unter der Schädeldecke», sagt Jan Peters. Das Buch sei ein Denkmal für seinen Vater, der vor 22 Jahren gestorben sei und den er vermisse. Der von ihm «im jugendlichen Übermut ergriffene Lehrerberuf hätte ihn zunächst fast in die Psychiatrie gebracht», sagte Peters über sich, schliesslich zum «streitbaren Schreiben». Seit 1989 lebt der Autor mit seiner Frau in der deutschsprachigen Schweiz. Er arbeitet im Marketingbereich in der Medizinalbranche.

«Sie sehen, ich lebe tatsächlich. Den Autor gibt es wirklich», begrüsste Peters die Schüler. Er las nach einer kurzen Einführung in die Arbeitsweise der Gehirnhälften aus dem Werk. Die Sprache verpackt er in Schachtelsätze. Es ist eine Literatur mit gewöhnungsbedürftigem Stil, wie Gronau und seine Schüler später anmerkten.

Die Idee zum Buch war während eines Spazierganges durch Goslar, den Peters nach der Rückkehr in seine Heimat nach langen Jahren unternahm, gekommen. «Die alten Türme und Mauern sprachen plötzlich mit mir. Ich dachte, es muss schön gewesen sein, hier seine Kindheit verbracht zu haben. Ich schrieb drauf los. Die Figuren, die ich erschuf, entwickelten ein reges Eigenleben», berichtete der Schriftsteller. Und so ersann er die Geschichte Sebastians, dessen Leben in ruhigen, kontrollierten Bahnen verläuft. Für diesen Jungen ist alles spektakulär: Gewaltige Helden bestimmen seine Kindheit, Männer, die die Urgewalten von Verbrennungsmotoren fast spielerisch bändigen. Ein lutherischer Prediger, von alttestamentarischer Wucht, der höchst überraschte «Kirchgeld-Christen» aus dem Tempel jagt, ein Religionslehrer, der Unterricht im Öffnen russischer Tanks erteilt, knochenbrechende Catcher auf Volksfesten, verruchte Bauchtänzerinnen und – alles in den Schatten stellend – ein kleines Mädchen namens Barbara.

In der anschliessenden Diskussion stellte sich heraus, dass sich die Sechzehn- und Siebzehnjährigen zunächst an den analytischen Stil gewöhnen mussten. Das Fantastische in der Geschichte bewerten sie als positiv. Viele der Schüler betonten, dass sie sich im weitesten Sinne wieder fänden, obwohl eine andere Generation beschrieben worden sei. Teilweise machten sich auch Heiterkeit und Vergnügen über das Buch breit.

Georgia Lori

Wetterauer Zeitung, 2. November 2002
Von den Schwierigkeiten, erwachsen zu werden

Der Schweizer Schriftsteller Jan Peters und seine zweite Lesung in der Kurt-Schumacher-Schule

In diesen Tagen jährt sich die Freundschaft zwischen dem in der Schweiz lebenden Autor Jan Peters und Holger Gronau, dem Fachleiter für Deutsch an der Kurt-Schumacher-Schule (KSS) zum 30. Mal. Der Freundschaft aus gemeinsamen Studienjahren verdanken die Schüler der Klassen 11a und 11b die Lektüre von Jan Peters’ vor zwei Jahren publiziertem modernem Entwicklungsroman «Sebastian – Abenteuer- liches aus vergangenen Zeiten» und die zweite Lesung des Autors an der KSS.

In seinem Roman erzählt der Autor den Lebenslauf eines Jungen von seiner Geburt bis zum 19. Lebensjahr. Die Geschichte endet mit der Einberufung des Protagonisten zum Wehrdienst. Bei «Sebastian» handele es sich nicht um eine Autobiografie des Autors – obwohl Peters bekennt, dass drei seiner vier seit 1995 veröffentlichten Romane autobiografische Züge tragen.

In «Sebastian» habe er beim Schreiben seinen Resten von Kindheit und Jugend nachgespürt. In dem Versuch, eine untergegangene Zeit wieder zum Leben zu erwecken, sei das Buch gleichsam zu einer Hommage an seinen Vater Otto geworden. Wer ein Patentrezept von ihm zu der Problematik des Erwachsenwerdens und Erwachsenseins erwartet hatte, den musste Jan Peters enttäuschen. Diese Problematiken seien einer gewissen Phase immanent. Es gäbe keinen «grossen Knacks» und dann wüsste man: «So, jetzt bin ich erwachsen», es handele sich um einen über mehrere Jahre gehenden Prozess. Den Karbener Schülern empfahl er, sich auf keinen Fall unerreichbare Vorbilder zu suchen, denn dies führe lediglich zu Depressionen.

Die Lektüre des Buches war für die Schüler keine einfache Kost, denn der Autor liebt «Bandwurmsätze», und am Ende einer Seite bekannten einige, hätten sie alles noch einmal neu lesen müssen, um den Inhalt in allen Einzelheiten zu erfassen. Die von den Schülern daraufhin angemahnten «Sätze mit Überlängen» ergäben sich aus der Komplexität des Lebens, sein Stil trage dem Rechnung, bekannte schmunzelnd der Autor.

In «Sebastian» laufen mehrere Erzählstränge parallel, der Handlungsablauf ist nicht chronologisch aufgebaut. Der Autor gewährte seinen Zuhörern Einblick in seine «Schreibwerkstatt» und in seinen Prozess des Schreibens. Er schreibe in einer Art, die William Faulkner charakterisiert habe mit: «Wenn Sie das Schreiben erst einmal richtig gepackt hat, dann haben Sie keine Zeit mehr, sich hinzusetzen und lange nachzudenken…»

Schreiben sei nicht nur eine Lust, sondern es habe auch viel mit Einsamkeit zu tun, wenn lange Passagen bearbeitet würden oder das Schreiben nicht mehr aufhören könne, sagte Peters. «Die wichtigste, mühevollste, unkreativste und schmerzvollste Arbeit beim Schreiben ist das Kürzen; denn wie Altmeister Goethe sprach: ,Getretener Quark wird breit, nicht stark’.»

Peters selbst ordne sein Lebensgefühl in die Romantik ein, womit er sich brav in die Schachtel seiner literarischen Stilrichtung gesetzt habe. Der Handlungsverlauf in seinen Büchern, erläuterte Peters, werde gelegentlich durch Exkursionen in die Literaturgeschichte oder Historie unterbrochen – Zeitreisen werden unternommen –, die wiederum durch Zitate oder spielerisch eingeflochtene Namen belegt werden. Das Spiel mit den Zeiten sei gleichsam der finstere Pakt des Faust mit Mephistopheles: «Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hatten ihre Bedeutung verloren, sie waren ineinander verwoben. Ich irrte durch den Raum, der seine Zeit verloren hatte», zitierte sich Peters selbst aus seinem ersten Roman «Tief im Norden».

Für den, der zwischen den Zeilen zu lesen vermag, ist «Sebastian» eine spannende Lektüre. Für ungeübte Leser eine echte Herausforderung, an deren Ende in vieler Hinsicht ein Gewinn steht.

cf

Wetterauer Zeitung, 15. März 2002
«Schreiben ist das grösste Abenteuer»

Am gestrigen Freitag besuchte Autor Jan Peters die Schüler der Kurt-Schumacher-Schule. In einer speziellen Lesung für die Klasse 11b, die sein Buch «Sebastian – Abenteuer aus vergangenen Zeiten» im Deutschunterricht gelesen und besprochen hatte, konnten sich die Schüler davon überzeugen, dass hinter einem Buch auch ein «Mensch zum Anfassen» steckt. Die Schüler konnten nach der Lesung persönliche Fragen an Peters richten, um die Hintergründe der Geschichte um «Sebastian» zu erforschen. Holger Gronau, Deutschlehrer der 11b, hatte die Lesung organisiert, da er Peters seit Studienzeiten kennt und mit ihm seither in perönlichem Kontakt steht.

In seinem Entwicklungsroman beschreibt Peters seine Kindheit und Jugend in Goslar am Harz. Der Autor schreibt rein assoziativ, was nicht zuletzt mit seinem guten Erinnerungsvermögen zusammenhänge. Er konstruiere die Handlung nicht im Voraus, sondern liebe sich, nachdem er das Grundgerüst geformt habe, «beim Schreiben einfach treiben». So hätten die Figuren im Laufe der Zeit ein regelrechtes Eigenleben entwickelt, und es sei ihm nicht möglich gewesen, zum Beispiel mit der Vaterfigur aufzuhören, sie hätte einfach «nach weiteren Zeilen verlangt», so der Autor. Jan Peters beschreibt Bücher als «ganz merkwürdige Wesen» und Bücherschreiben als «das Abenteuer meines Lebens».

Im Vorfeld war er auf die Reaktion der Schüler sehr gespannt, da er sich mit «Sebastian» nicht an eine bestimmte Zielgruppe gewendet habe. «Ein Text bedeutet immer das, was er dem Leser bedeutet – im Extremfall also nichts», sagte Peters. Nicht zuletzt aus diesem Grunde hatte er mit der Klasse per Internet Kontakt gehalten und sogar zwei «Sebastian-Newsletter» an die Klasse verschickt. Die Reaktion der Klasse fiel positiv aus.

Peters’ Stil gilt nicht als «leichte Kost», sein Bestreben sei es, «die Syntax bis an ihre äussersten Grenzen zu dehnen». Deshalb fiel den Schülern der Einstieg nicht leicht, «aber wenn man den Anfang geschafft hat, wird’s doch ganz okay», so eine Schülerin gestern morgen.

Eine weitere Besonderheit des Buches ist, dass es nur ,virtuell’ existiert und als so genanntes ‚Book on Demand’ (Buch auf Anfrage) erst nach der verbindlichen Bestellung in Einzelexemplaren gedruckt wird. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass man keinen Verlag benötigt und die Kapitalbindung durch den Druck einer Startauflage entfällt. So bekommen auch Autoren, die noch nicht den nötigen Bekanntheitsgrad haben, die Möglichkeit, ihre Werke zu veröffentlichen.

Im vergangenen Jahr hielt der Autor eine Lesung in Goslar (siehe: Goslarsche Zeitung, 21. März 2001: «Otto Caracciola und die ,Panzerreligion’»), die zustande gekommen war, nachdem Peters seinen «Sebastian» an den Oberbürger- meister der Stadt geschickt hatte. Dieser antwortete mit einem langen handgeschriebenen Brief und organisierte dann die Lesung. Jan Peters sei während der Lesung im 500 Jahre alten Rathaus «mehr als einmal den Tränen nahe gewesen».

Der Autor wehrt sich gegen die Sprachvernachlässigung in Deutschland, indem er sich beharrlich weigert, den Stilvorgaben eines Verlegers «nachzuschreiben» und «literarisches Fastfood» zu produzieren. «So wird das nichts mit Chanel-Kleidern und dem Porsche», weiss er selbst, möchte jedoch am «Book on Demand»-Verfahren festhalten.

Während der Lesung machte der literarische Gast zahlreiche Exkurse, bei dem es ihm immer wieder gelang, durch Assoziationen (z.B. dem Duft von Zuckerwatte) Bilder und Atmosphären im Inneren seiner Zuhörer entstehen zu lassen. «Sebastian» ist trotz des komplizierten Stils sehr lebhaft und farbig geschrieben.

Hauptberuflich ist Jan Peters, der den Lehrerberuf nach mehreren Jahren Unterrichtstätigkeit aufgab, seit längerem in der Marketingabteilung eines Medizinalkonzerns tätig. Ende 1988 wanderte er in die Schweiz aus. Seine Frau, mit der er seit 1974 verheiratet ist, bezeichnet er als seine schärfste – und gleichzeitig förderndste – Kritikerin.

«Die Belletristik ist meine Art und Weise, mich mit dem Leben auseinanderzusetzen», sagte Jan Peters nach der Lesung.

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Goslarsche Zeitung, 21. März 2001
Otto Caracciola und die «Panzerreligion»

Jan Peters las aus seinen Goslarer Jugenderinnerungen in der Rathausdiele

Die Rathausdiele entfaltete ihren bemerkenswerten Charme, als der gebürtige Goslarer Jan Peters aus seinen Jugenderinnerungen an die Kaiserstadt las und den Griesgram zur Tür hinausjagte. Der schreibende «Eulenspiegel» erhielt lebhaften Beifall seines Publikums.

Unter den Zuhörern sass auch die agile 90-jährige Mutter des Autors, Irmgard Peters. Die «Gesundheitsköchin» räumte freimütig ein, dass sie, wie vom Sohn zu hören war, mit ihrem Meerrettich-Konzentrat beinahe die Familie ins Jenseits befördert hätte.

Lob gab es von Oberbürgermeister Dr. Otmar Hesse für den Wahlschweizer Jan Peters: «Endlich mal ein Goslarer, der über seine Heimat schreibt.» Dr. Ursula Müller zitierte in ihrem Streifzug durch die Goslar-Literatur genüsslich ironische Aussagen und zog hier und da Parallelen zur Gegenwart. Nach Reiseberichten, Romanen und Dramen hätten sich ab Mitte des vorigen Jahrhunderts die Kindheits- und Jugenderinnerungen immer mehr in den Vordergrund geschoben.

Geschickt hatte der Autor die Episoden aus seinem Buch ausgewählt, das die Goslarer Jahre von 1947 bis 1967 umschliesst (die Goslarsche Zeitung berichtete darüber). So als Vater Peters, «Otto Caracciola», mit Sohn Jan zur Seite auf der Vienenburger Strasse die Schallmauer von 100 km/h durchbrach oder der Besuch bei Tante Erna in der Oberstadt – «Nachtjackenviertel», sagte Vatern. Jan Peters besitzt einen hoch entwickelten Sinn für Humor und Ironie.

Geradezu köstlich die Erinnerungen an das Ratsgymnasium, die er an die Lesung anschliessend zum Besten gab. Da war beispielsweise der Religionslehrer, der die Schüler genauestens über die Panzertypen der Roten Armee informierte und im Fach Religion mit den «Panzerspezialisten» den Goslarer Fliegerhorst besichtigte.

Hohe Anerkennung zollte Peters seinem verstorbenen Deutschlehrer, Studienrat Thielecke: «Ich bin dankbar für die umfassende Bildung, die ich genossen habe.»

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Frankfurter Rundschau, 2. November 2002
Erste Fragen per E-Mail gestellt

Autor Jan Peters erneut bei den Kurt-Schumacher-Schülern

«Wollen sie denn nicht wissen, wie die Dame aussieht?», fragt ein Schüler, und das ist der Moment, an dem der Autor Jan Peters mit seiner Antwort deutlich länger zögert als sonst. Vor seinem Lesetermin vor Schülern der Klassen 11a und 11b in der Bibliothek der Kurt-Schumacher-Schule hatte der in der Schweiz lebende Teilzeit-Schriftsteller bereits intensive E-Mail-Kontakte zu den Schülern gepflegt.

Eine «Dame», so berichtete er schmunzelnd, habe ihn gefragt, wie sich im Laufe der Jahre sein Verhältnis zur Liebe verändert habe. «Vielleicht weiss ich ja sogar, wie die Dame aussieht?», sagt Peters geheimnisvoll, ohne jedoch Raum für Missverständnisse zu lassen. Rein literarisch sei das Interesse der Schülerin zu erklären.

Etliche Schüler nehmen ebenfalls die Chance wahr, den Autor nach seiner Lesung über das Schreiben nach seinen ganz persönlichen handwerklichen Tricks zu befragen. Oder auch danach, wie hoch in seinem Buch «Sebastian» die Anteile von Fiktion und selbst erlebter Realität seien. Die Schüler hatten das Buch zur Vorbereitung auf das Treffen mit dem Autor im Deutschunterricht gelesen.

Peters besuchte die Kurt-Schumacher-Schule (KSS) bereits zum zweiten Mal. Den Kontakt hatte sein Studienfreund und Fachleiter für Deutsch an der KSS, der Pädagoge Holger Gronau, hergestellt. «Wir haben von Herrn Peters mehrere Rund-E-Mails erhalten und alle, die wollten, konnten ihm per ,Reply’ Fragen zu seiner Arbeitsweise stellen», erzählt ein Schüler. Laut Peters waren es vor allem Schülerinnen, die sich per E-Mail zu fragen getrauten.

Nach der Lesung sind es vor allem junge Männer, die dem Autor Fragen stellen. Etwa die, ob er beim Schreiben bereits eine Zielgruppe vor Augen hätte, auf deren Bedürfnisse hin er seine Bücher schreiben würde? «Nein», sagt der Autor entschieden, «darüber mache ich mir gar keine Gedanken, ich denke nicht kommerziell.» Das muss er auch nicht, denn das Bücherschreiben ist für Jan Peters eine Neben- erwerbstätigkeit. Sein täglich Brot, berichtet er den Schülern, verdient er mit der Textarbeit in der Marketingabteilung eines Schweizer Unternehmens. Peters schildert den Beruf des Schriftstellers nicht rosig: Der Buchmarkt sei der schwierigste der Welt, Verleger seien die kompliziertesten Menschen.

Vielleicht spricht daraus auch die leidvolle Erfahrung des Mannes, der lange, komplizierte und oft etwas gestelzt wirkende Sätze liebt.

Und humorige, überraschende Wendungen in seinen phantasievollen Erzählungen.

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Bücher von Jan Peters sind in jeder analogen Buchhandlung sowie bei einer unübersehbaren Zahl digitaler Book Shops erhältlich.