Die Erfahreneren in unserer Leserschaft erinnern sich noch lebhaft an ‹das Wunder von Bern› 1954 im Wankdorfstadion: Der damalige Chefreporter des (gross)deutschen Rundfunks, Herbert Zimmermann, wurde fast von einer Herzattacke hinweggerafft, als Mannschaftskapitän ‹Boss› Rahn den Ungarn ein Tor von der Art reindonnerte, dass man vermeinte, Hitlers Wehrmacht habe mit der ‹Dicken Berta› einen Volltreffer gelandet und den Eiffelturm umgenietet: «TOR!! TOR!! TOR!!»
Im Pulverdampf des Endzeitgefechts wurde der deutsche Torwart von Zimmermann zum ‹Fussballgott› ernannt. Was der Klerus zwar nicht prickelnd fand, aber doch nicht endlos monierte, um das Turnier ‹Kirche vs. Fussballspiel› nicht schon in den Kabinen zu vergeigen. Wäre die Kirche Deutschlands cleverer gewesen, wäre sie nach 1945 dazu übergegangen, Fussbälle statt Kanonen zu segnen — wie sie das unter Kaiser und Führer immer gern tat. Das wäre vielleicht nicht nur als PR-wirksamer, sondern auch als christlicher einzustufen gewesen.
Das Runde muss ins Eckige
Was waren das noch für glorreiche Zeiten, als ‹11 Freunde› hinter dem Leder herjagten, um es im gegnerischen Tor zu versenken, und nicht die heutigen wie Urwaldschamanen von Kopf bis Fuss tätowierten Jungmillionäre. Und damals war die ‹Die Mannschaft› keine Markenbotschafterin, sondern eine Mannschaft im Sinne einer verschworene Truppe, die ein väterlicher Freund namens Sepp Herberger betreute. Früher verzockten Hasardeure wie Hoeneβ die Kohle in Spielhöllen, heute sitzen sie in Vereinsvorständen. Und wenn das Aktionariat die Rendite der FC Bayern AG beanstandet, macht Kalle Rummenigge die Journaille zur Sau, weil es in deren Hofberichterstattung an Demut und Folgsamkeit fehle.
Nach dem Spiel…
Es ist noch gar nicht lange her, dass FIFA-Boss Blatter (als Walliser mit den Wassern seines Heimatkantons nicht nur getauft, sondern auch gewaschen) von seinem goldenen Fussballthron stürzte. Man warf ihm scheinheilig vor, was längst alle wussten: For the game? – FOR THE MONEY! And the name of the game? Vetternwirtschaft, Korruption, Manipulation. Man könnte fast meinen, die FIFA wäre von der Panzerknacker AG übernommen worden: oder in Corleone gegründet und stets von dort geführt. Dabei hat der volksnahe Blatter eigentlich nur den Volkssport Fussball zur Konsolidierung und Ausweitung seiner persönlichen Popularität benutzt. Da traf man sich dann international ganz zwanglos mit einem Wladimir Putin bei der WM. Auf Marketingdeutsch gesagt, ist dies eine typische Win-win-Situation, wie man sie sich besser kaum wünschen könnte: ‹Honni soit qui mal y pense!› Und was könnte denn mehr zur Völkerverständigung beitragen, als gemeinsam zu bewirtschaftende finanzielle Schnittmengen?
…ist vor dem Spiel
Dann kam Gott sei Dank Giovanni «Gianni» Infantino, ein gebürtiger Walliser, an die Macht. Ein wahrer Quantensprung, verglichen mit dem verknorzten Blatter-Sepp. Fussend auf bewährten Usancen seines Heimatkantons, lag Monsieur Infantino von Anfang an der Kern des Fussballs besonders am Herzen – Vetternwirtschaft, Korruption, Manipulation +. Das Plus bestand beispielsweise in der genialen Idee, zusätzlich zu den bestehenden FIFA-Inkassoverfahren Lizenzen zum Gelddrucken auszugeben. Gut dafür geeignet erschienen dem FIFA-Paten beispielsweise eine WM der Fussballvereine (an der wiederum Rummenigge seine helle Freude hätte, denn in Aussicht gestellte 25 Mia. Euro aus den Vermarktungsrechten überzeugen auf Anhieb), eine Nationenliga oder die bereits beschlossene Ausweitung der WM auf 48 Länder. Dass der (inzwischen nicht mehr ganz) neue FIFA-Boss auch noch Zoff mit seiner Finanzbuchhaltung bekam, weil es einige Ungereimtheiten in seinen Spesenabrechnungen gab, ist als zu vernachlässigende Petitesse einzustufen. Warum sollte ein Zürcher Topmanager sparsamer und penibler werkeln als Mitglieder der Genfer Stadtregierung?
Nur nicht den Kopf verlieren
Sämtliche mit den neuen Turnieren verbundene Rechte will Infantino, der gern mit der grossen Kelle anrichtet, an eine obskure Investorengruppe verhökern. Offiziell ist nicht bekannt, wer das ist; offiziös denkt man an Saudi-Arabien. Aber Vorsicht, Herr Präsident, sollte Ihr Deal zustande kommen, beantragen Sie keinen Pass in einem saudi-arabischen Konsulat! Es könnte nämlich passieren, dass man Sie von dort ohne Visum über den Jordan schickt – direkt ins Nirwana.