Im Oktober 2019 finden in der Schweiz turnusgemäss die Wahlen zum National- und Ständerat statt. Nicht allen in der Bevölkerung ist klar, wie man solche Wahlen locker gewinnen kann. Deshalb möchten wir mit dem in dieser Form der Öffentlichkeit erstmals vorgelegten Kommunikationsratgeber den sich für das Allgemeinwohl selbstlos aufopfernden Kandidierenden hilfreich zur Seite stehen. Gleichzeitig sprechen wir Wutbürgern das Recht ab, «Welche Vollidioten haben diese Typen gewählt?» zu keifen, bevor sie diese Typen gewählt haben. Danach wissen sie es ja dann selbst.
Was heisst eigentlich ‹wählen›? Seinen Siegeszug trat das Verb mit der Einführung des Fernsprechers in den Schweizer Privathaushalten an. Wollte damals eine Telefonbesitzerin einem Telefonbesitzer durch die Blume mitteilen, dass er bei ihr evtl. Chancen hatte, hauchte sie: «Wähl mich mal an, Mann!» Heute ist feststellbar, dass mit dem Fortschritt der Technik auch eine deutliche Verfeinerung der Umgangsformen stattgefunden hat: Konnte man früher in der MIGROS oft hören, wie ein «Denk draa, lüüt aa!» im Kasernenhofton von einer Kassenschlange zur nächsten gebrüllt wurde, so simsen heute entzückende Teenies an zudringliche Verehrer: ‹Fick dich, du Arschloch!› – Es wird also nicht nur häufiger, sondern auch mit weitaus mehr Finesse kommuniziert.
Differenzierte Wähleransprache
Verlassen wir nun das Fernmeldewesen und gehen hypothetisch davon aus, dass Sie für die Wahlen kandidieren wollen: Wie sollten Sie kommunizieren? Aus Gründen der leichteren Handhabung segmentieren wir das Thema in einzelne Abschnitte, an deren Ende Sie jeweils einen zusammenfassenden Ratschlag finden. Beispiel: Sie haben die gewöhnungsbedürftige Neigung, sich ständig zu besaufen. Könnte dies ein Hindernis für eine Politiklaufbahn sein? Überhaupt nicht, denn beispielsweise bei den Symposien der Interessenverbände von Winzergenossenschaften und Schnapsbrennern – die Sie, falls Sie im Landwirtschaftsdepartment eine Karriere anstreben, aufsuchen sollten – gilt Wirkungstrinken als sinnstiftende Tätigkeit. Der Begrüssungssatz Ihrer Rundschreiben an diese Lobbygruppen muss daher stets lauten: ‹Einer geht noch rein!›; mit einem einzigen Satz schaffen Sie damit einen belastbaren Grundkonsens.
No-Gos vermeiden
Wenden wir uns nun demjenigen zu, was vor den Wahlen NICHT passieren sollte, und den Fehlern, die Sie unbedingt vermeiden müssen. Fragen wir mal negativ: Wer darf eigentlich NICHT kandidieren? Hier äussert sich unsere Bundesverfassung vorbildlich klar und unmissverständlich, indem sie sagt, dass sich solche NICHT zur Wahl stellen dürfen, die an Geisteskrankheit oder Geistesschwäche leiden bzw. unter umfassender Beistandschaft stehen. Dem jetzigen Präsidenten der Vereinigten Staaten wäre es demnach komplett verwehrt, in der Eidgenossenschaft ein politisches Amt zu bekleiden. Donald Trump müsste sich also mit einer kläglich dotierten Managementposition im Investment-Banking der UBS oder Credit Suisse bescheiden. Handlungsempfehlung: Wenn Sie sich über Ihren mentalen Status nicht im Klaren sind, fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker: «Sind Sie wie mein(e) Partner(in) der Meinung, dass ich einen an der Waffel habe?»
Keep it simple
Treten Sie Appelle an Toleranz, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und andere antiquierte Gepflogenheiten in die Tonne – so etwas trägt NICHT zum Wahlsieg bei! Soll Ihre Wahlpropaganda erfolgreich sein, müssen Sie sich einfach und schwarz-weiss äussern. Kommt es z. B. während Ihrer Kampagne zu der für Sie erfreulichen Situation, dass im Aargau ein jugendlicher Kosovare einem braven Schweizer den geleasten BMW klaut, damit gegen einen Brückenpfeiler donnert und die Karosserie auf diese Weise einer Kaltverformung unterzieht, müssen Sie dies in einer Medienmitteilung im Plural verwerten: ‹Halbstarke Kosovaren vernichten gezielt Schweizer Vermögen!›
Empathie aufbringen
Wird Ihnen aus Nidwalden mitgeteilt, dass ein bedauernswerter Schweizer Automechaniker, dem es in der Kindheit massiv an wärmender Mutterliebe gefehlt hat, mit Minderjährigen gekuschelt habe, schweigen Sie. Stellt sich allerdings heraus, dass der Sauhund kein Schweizer, sondern ein muslimischer Asylbewerber ist, müssen Sie andere Saiten aufziehen; dann lassen Sie durchblicken, dass solche Drecksäcke an die Wand gestellt gehören. Verstecken Sie sich im ‹Leuen› hinter dem Kachelofen; notieren Sie sich die Weisheiten, die am Stammtisch verkündet werden; veröffentlichen Sie die dämlichsten Sprüche in Ihrer Newsletter-Rubrik ‹Ein Herz für besorgte Bürger›. Tipp: Je nachdem, wie die Verteilung der Konfessionen in Ihrem Wahlkreis ist, sollten Sie darauf hinweisen, dass Sie Pädophilie entweder als ein abscheuliches Delikt ansehen; oder als von der antiklerikalen Presse bewusst überbewertet.
Keine Verzettelung
KandidatInnen, die erstmals ins Rennen um ein Mandat gehen, vergeuden erfahrungsgemäss viel wertvolle Zeit damit, dass sie sich ihren Kopf darüber zerbrechen, wie sie mit der Wahrheit umgehen sollen. Dies ist ein typischer Anfängerfehler, denn:
- DIE Wahrheit gibt es gar nicht.
- WAHR ist in Ihrem politischen Feldzug ausschliesslich das, was Ihnen Wählerstimmen bringt.
Wir gratulieren Ihnen zur Wahl und wünschen Ihnen auch weiterhin viel Erfolg bei Ihrer politischen Bilderbuchkarriere!