Erinnern Sie sich noch an den 21. März 2019? War das nicht dieser Elendstag, an dem sich Ihre normalerweise handzahme Lebensabschnitts-Partnerin in eine Gift und Galle spuckende Megäre verwandelte, nachdem sie auf Ihrem iPhone zufällig den Link zu dem neckischen Video entdeckt hatte, in dem eine in Latex gekleidete Femme fatale mit dem Künstlernamen «Cruella De Vil» ihre geschätzte Stammkundschaft zu einem Besuch ihres exklusiven SM-Studios einlud? Anschliessend hing bei Ihnen der Haussegen eine Zeitlang ziemlich schief, gellet Sie?
Wir wollen Sie jetzt nicht an die Soap-Opera-reife Szene erinnern, die Ihnen Ihre eheliche Spassbremse wegen dieses harmlosen Filmchens machte, sondern kommen stattdessen schnurstracks zu den wesentlichen Dingen des Lebens: Wenn wir Ihnen im Zusammenhang mit dem 21. März das zusätzliche Stichwort «Wikipedia» geben, dann steht Ihnen dieser Tag wahrscheinlich genauso plastisch vor Augen wie der 11. September 2001, an dem die dunkle Seite der Macht beschloss, das World Trade Center mittels ausser Kontrolle geratener Flugmaschinen plattzumachen. Daran erinnern Sie sich doch noch, oder?
Der diesjährige 3/21 war genauso schlimm, denn dies war der grauenhafte Tag, an dem Millionen von Copy/paste-Ratsuchenden beim Aufrufen von wikipedia.de ausschliesslich den stupiden Text lasen: «Die Autorinnen und Autoren der Wikipedia haben sich entschieden, Wikipedia heute aus Protest gegen Teile der geplanten EU-Urheberrechtsreform abzuschalten.» Dies brachte jegliche journalistische und wissenschaftliche Arbeit schlagartig zum Erliegen. Der frustrierten Journaille blieb an diesem Black Thursday der Schreiberlinge nichts anderes mehr übrig, als sich in ihre verstaubten Archive zu bequemen und dort uralte Ladenhüter wie Flüchtlingskrise, Exitkrise, Dieselkrise, Finanzmarktkrise und anderen Krimskrams auszugraben und zum x-ten Mal in ihren krisengeschüttelten Gazetten breitzutreten.
Lebenslanges Lernen
Bevor wir nun topaktuelle Aspekte aus dem Universum der Digitalisierung herauspicken, sehen Sie eigentlich einen Zusammenhang zwischen der Klimaaktivistin Greta Thunberg und E-Learning? Wer diese Ökotrulla ist, das steht bei Wikipedia, das ja wieder funktioniert und uns sagt, dass «Greta Tintin Eleonora Ernman T.» immer freitags in Stockholm/Schweden auf einem Trottoir hockt, statt wie anständige Kinder zur Schule zu gehen, sich dort den Arsch abfriert und ein Stück Pappkarton hochhält, auf dem steht: «Skolstrejk för Klimatet». Dass Klein-Greta etwas Unterricht nicht schaden könnte, ist klar und deutlich aus dem missratenen Text ersichtlich, den sie selbst verzapft hat: So was ist doch kein Deutsch – zum Henker!
Wenn Sie jetzt sagen, der Schwede kannʼs halt nicht besser, seit den Nazis hat er auch keinen Bock mehr auf Deutsch, dann sagen wir Ihnen: Wir kaufen zwar auch bei Ikea, bestellen unser Essen dort aber auf Deutsch. Das unterscheidet uns vom Schweden: «48 Köttbullar – heja, heja!» Aktivieren Sie auf Ihrem Tablet die automatische Spracherkennung, dann lösen sich linguistische Probleme von selbst.
Wo stehen wir heute?
Wir wollen hier jetzt keineswegs auf Kulturpessimismus machen, sondern stattdessen kurz auflisten, welche handfesten Verbesserungen uns das digitale Zeitalter gebracht hat:
- Sämtliche Artikel des menschlichen Grundbedarfs können wir heutzutage mit wenigen Mausklicks im World Wide Web bestellen und uns frei Haus liefern lassen; musste man früher seinen Hausarzt in entwürdigender Weise um Aufputsch-, Beruhigungs- und Potenzmittel anflehen, so werden diese heute auf Bestellung in Indien just in time speziell für uns produziert, von DHL zeitnah geliefert und in unserem Briefkasten deponiert. Produkte des gehobenen Bedarfs wie beispielsweise Crystal Meth, Plutonium, Sprengfallen und Panzerhaubitzen ordern wir sinnvollerweise im Darknet und bezahlen dieselben diskret mit Kryptowährungen.
- Was die von Anarchisten und sonstigen Leistungsverweigerern gefeierte «Schwarmintelligenz» und «Weisheit der Strasse» an zivilisatorischen Fortschritten bewirken, wurde kürzlich von den gilets jaunes auf den Champs-Elysées vorgeführt, wo Fouquet’s bourgeoiser Fresstempel abgefackelt und altmodische Prunkbauten wie der Arc de Triomphe mit fetzigen Graffitis aufgepeppt wurden, um sie für EasyJet- und Airbnb-Partytouristen attraktiver zu machen.
- Internetfirmen sehen sich aufgrund der Diversifikation ihrer Firmensitze zu ihrem grössten Bedauern leider ausserstande, Steuererklärungen abzugeben, da es ihnen unklar ist, welches Finanzamt für sie eigentlich zuständig ist.
Verfeinerung der Umgangsformen
Damit jetzt nicht etwa der abwegige Eindruck entsteht, wir sähen die Digitalisierung negativ, möchten wir abschliessend darstellen, welch frischen Wind die sozialen Netzwerke in den früher als hoch kompliziert angesehenen Bereich der menschlichen Kommunikation im Allgemeinen und der Kontaktaufnahme zwischen den Geschlechtern im Besonderen gebracht haben. Während sich ein Tanzstundenjüngling der 1960er-Jahre auf die Frage «Darf ich dich zu einem Hawaiibecher in die Eisdiele einladen, Mechthild?» von seiner Angebeteten durchaus die höflich verbrämte Abfuhr «Vielen Dank, Wolf-Detlev, das ist furchtbar nett von dir, aber ich muss heute Nachmittag noch unbedingt meine Mathe-Hausaufgaben machen» einhandeln konnte, so kommen digital natives heute weitaus schnörkelloser zur Sache – Battle-Rapper auf WhatsApp an Tusse: «Geile Titten, Schlampe!» Weibliche Zielperson, Antwortniveau punktgenau auf Vollpfosten-IQ kalibrierend: «Hamse dir ins Gehirn geschissen, Spastiker?» Bitte bewerten Sie jetzt Effizienz und Anmut dieser atemberaubenden Zivilisationsfortschritte auf einer Skala von 1 bis 10.