In einem Land wie diesem

In einem Land wie diesem

Verehrtes Publikum

Als Frau P. und ich vor Jahren den kühnen Entschluss fassten, von Deutschland in die Schweiz umzusiedeln, wurden wir von meinen Verwandten umgehend mit weisen Ratschlägen aller Art versorgt: wegen der Schweiz im Allgemeinen und der zu erwartenden Konflikte zwischen mir und der Eidgenossenschaft im Besonderen, die man aufgrund meines rebellischen Wesens unausweichlich kommen sah! Unser Einwand, Frau P. sei immerhin eine geborene Schweizerin und mit den Landessitten und -gebräuchen weitgehend vertraut, wurde als belangslos vom Tisch gewischt – wer, wenn nicht die Deutschen, konnte wissen, welche Werte in der Schweiz zählen und wie man sich dort zu verhalten habe?

Auf den steinigen Weg in die Fremde wurde uns mitgegeben, keinesfalls zu vergessen, dass auch in der Schweiz nicht alles Gold sei, was glänze. Wir bedankten uns artig für diese Erkenntnis, zu der wir schwerlich allein gelangt wären.

Widerborstig wie ich von Natur aus bin, schlug ich all diese klugen Ermahnungen und Lebenshilfen in den Wind; die Erfahrungen, die wir vor unserem Wegzug 8 Jahre lang in Deutschlands höchstem Norden gemacht hatten, bestärkten uns darin, dem Motto der Grimm’schen Bremer Stadtmusikanten beizupflichten: «Etwas Besseres als den Tod finden wir überall!»

Frau P. besitzt hugenottische Wurzeln, meine Vorfahren stammen aus Brandenburg. Der Große Kurfürst verfügte 1685 im Edikt von Potsdam, dass ihm französische Glaubensflüchtlinge willkommen seien. Und dass die Hugenotten genauso gern werkeln, wie sie zur Kirche gehen, wusste der treusorgende Landesvater Friedrich Wilhelm auch. Hugenotten, Preussen, Deutschschweizer – an die Arbeit, Legionäre!

Während man es in Deutschland während langer Phasen meines Lebens für notwendig erachtet hatte, mich im Kommisston auf meine zahllosen Pflichten hinzuweisen: «Du machst gefälligst, was WIR dir sagen, Sportsfreund!» – ‹Rechte› kamen weitaus seltener zur Sprache –, raunte mir Mutter Helvetia, als ich Anfang Januar 1989 in Basel unter dem Strassburger Denkmal stand, heimlich ins Ohr: «Jetzt zeigen Sie uns doch einfach mal, was Sie draufhaben, Herr P.»

In einem Land wie diesem lebe ich gern.

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