Schön war die Kreidezeit – sie kehrt grad wieder

Schön war die Kreidezeit – sie kehrt grad wieder

Wie die Medien flächendeckend und in extenso berichteten, ist die von Film, Funk und Bühne bekannte schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg Mitte August vom südenglischen Plymouth aus mit der garantiert emissionsfreien Jacht «Malizia II» zu einer 14-tägigen Reise über den Atlantik aufgebrochen, um im September am UN-Klimagipfel teilzunehmen.

Ihre Anhängerschaft veranstaltet derweil unverdrossen Fridays for Future und skandiert fröhlich wütend: «Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!» – die Greta, die tut wenigstens was. Und die Politiker in Bern im Bundeshaus? Die labern doch nur blöd rum. Bis auf die SVP. Das ist die einzige Schweizer Partei, die selbst dann ans Vaterland denkt, wenn anderen ausser Schwitzen nichts mehr einfällt. Ihr Ständeratskandidat Roger Köppel, Blochers Mann fürs Grobe, lässt sich von Belanglosigkeiten wie atmosphärischen Unregelmässigkeiten nicht ins Bockshorn jagen, sondern macht volksnahen Wahlkampf: Er tingelt durch die Lande und erweist sich on tour als ein Bänkelsänger moderaten Talents. Im Hinterzimmer des Wirtshauses «Zu den drei Tellen» in Seldwyla – einer von 162 Zürcher Gemeinden, die er insgesamt heimsucht – entrollt er triumphierend grinsend bunte Plakate, auf denen die von der EU in Ketten geschlagene wehrlose Schweiz gezeigt wird: ein Bild des Jammers. Aufgeregt fuchtelt er vor diesem zu Papier gewordenen Menetekel mit einem Bolzenschneider herum, als wolle er sich damit nächtlichen Zutritt zum Geräteschuppen einer Gartenkolonie verschaffen. Dann brüllt er unvermittelt dem Publikum in die Hörgeräte, dass die EU, die Kommunisten und die Ausländer grundsätzlich an allem schuld seien: «Aber wir Schweizer wollen frei sein, wir unterwerfen uns nicht – niemals!»

Keine Panik auf der Titanic!

Klimaexperte Köppel kommt auf die unwesentlich erhöhten Aussentemperaturen zu sprechen und erläutert allgemeinverständlich, warum es in unseren Breiten als völlig normal anzusehen sei, wenn es im Juli 2019 leicht höhere Grad Celsius als im Februar 1972 gebe. Mit «menschengemachtem Klimawandel», von dem die versifften Alt-68er und grünen Körnerfresser ständig faselten, habe dies garantiert nichts zu tun. Während der mittleren Kreidezeit sei es in unserer Schweiz sogar noch viel wärmer gewesen als heute. Und niemand habe sich seinerzeit darüber aufgeregt. Er selbst sei zwar damals nicht persönlich dabei gewesen und Naturwissenschaftler sei er auch keiner, aber heiss gewesen sei es allemal. Man habe ihm dies glaubhaft versichert, sagt Köppel. Anschliessend berichtet er seinem zu Recht empörten Gesprächskreis, dass die Bolschewisten, diese Sauhunde, das prächtige Sommerwetter zum willkommenen Vorwand nähmen, um den Mittelstand in den Ruin zu treiben. Eine ausgemachte Schweinerei sei dies, wo doch diese benachteiligte Bevölkerungsgruppe ohnehin schon mit dem Rücken an der Wand stehe und alle Hände voll damit zu tun habe, sich der gemeinen Angriffe der europäischen Bürokraten-Soldateska zu erwehren. Das Auditorium verfällt in Schnappatmung. Aber es gebe Rettung. Dazu lese man wieder einmal Schillers Tell und wähle SVP. Köppel schliesst die Veranstaltung, lädt seinen Agitprop-Krempel in den Kofferraum seines BMW und düst davon. Die Dorfbevölkerung disloziert aufgeregt schnatternd in die Schankstube des Versammlungslokals und geht dort zum Wirkungstrinken über.

Merkwürdige Allianzen

Es bleibt wohl hauptsächlich perfiden – bis solchen mit massiven Dachschäden behafteten – Zeitgenossen vorbehalten, Greta Thunberg und ihrer Gefolgschaft zu unterstellen, sie verfolgten bei ihrem Feldzug gegen den Klimawandel andere Ziele als diejenigen, die sie unbeirrt und überzeugend vorbringen: Senken der Durchschnittstemperaturen durch Minderung des CO2-Ausstosses, Bewahren des Planeten und der Schöpfung für zukünftige Generationen. Wenn sie damit sogar Zugang zum Davoser WEF erhält, kann man sich allerdings schon fragen, was diese Phalanx der Mächtigen dazu bewogen haben mag, jemanden auftreten zu lassen, deren Ziele nicht unbedingt als kongruent mit denjenigen der Weltherrscher anzusehen sind. Und wem gehört die schnittige Yacht, mit der Greta über den Atlantik gebracht wurde? Die beiden Skipper sind der deutsche Segelsportler Boris Herrmann aus Hamburg und Pierre Casiraghi, der Sohn von Prinzessin Caroline von Monaco, vom Team Malizia. Eine Sprecherin des Teams sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Reise könne für Greta je nach Wetterverhältnissen durchaus unruhig werden: «Aber Greta ist ein mutiges Mädchen, sie wird das locker hinkriegen.» Das liest sich dermassen flockig, dass man in Berlin sagen würde: «Nachtigall, ick hörʼ Dir trapsen» – so viel berufsmässig dargebrachte PR-Empathie tut fast schon weh. Und das Boot stammt aus Monaco? Einem Land, das dafür bekannt ist, sich für Umwelt, Ressourcenschonung und den sozialen Ausgleich unter der Menschheit zu verausgaben. Dies ist der tiefere Grund, warum die internationale High Snobiety bevorzugt dort lebt. Weltklassesportler, die auf sich halten, verlegen ihren Wohnsitz umgehend nach Monaco, sobald sie zu Geld gekommen sind. Die Steuern, die die Schickeria dort spart, transferiert sie auf ein Sammelkonto auf den Cayman Islands. Wenn Greta auf ihrem Segelturn dort vorbeikommt, wird Charlène Lynette Grimaldi, Fürstin von Monaco, in der stoischen Gelassenheit der Freiheitsstatue auf der Pier ihrer Ankunft harren, um ihr säckeweise Schotter zur Finanzierung von Klimaprojekten zu überreichen.

Feindliche Übernahme

Es gibt Soziologen an deutschen Universitäten, die vor der «Landnahme des Sozialen» durch den von der eisernen Jungfrau Margaret Thatcher und der Hollywood-Knallcharge Ronald Reagan zur Blüte gebrachten Turbokapitalismus namens Neoliberalismus warnen. Damit meinen sie, dass sich dieses System nicht mehr nur auf die Finanzmärkte beschränkt, sondern dass die dort angewandten Profitabilitäts- und Vermarktungsstrategien inzwischen auf sämtliche Gesellschaftsbereiche ausgeweitet wurden. Indem man den Zwang zum Erzielen einer Rendite in den Rang eines von Moses auf dem Berg Sinai verkündeten Gottesgesetzes erhebt, macht man das Sozialverhalten von Salzwasserkrokodilen salonfähig. Davon wusste schon Mackie Messer eine schaurige Moritat zu singen: «Denn die einen sind im Dunkeln, und die andern sind im Licht. Und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.» Wahrschau, Greta – die Haie ausserhalb Deiner Yacht sind kleine Fische im Vergleich zu den Bootsbesitzern, die Dich so katzenfreundlich an Bord bitten!

 

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