Chez les Welsches II

Chez les Welsches II

Verehrtes Publikum

Durch Fribourg verläuft nicht nur die Sarine, sondern auch der «Röstigraben»; das demonstrieren die Resultate zahlreicher eidgenössischer Abstimmungen. Bezeichnete man gesellschaftliche Disparitäten mit tektonischen Fachtermini, so läge dort die «Westschweizer Hauptverwerfung». Nicht so schlimm wie die Grenze zwischen der BRD und der DDR mit Todesstreifen und Schiessbefehl, aber immerhin…: Der Röstigraben sollte keinesfalls unterschätzt werden! Damit unsere Betrachtungen nicht zu theoretisch ausfallen, hier ein Beispiel aus dem täglichen Leben, das die Mentalitätsunterschiede zwischen les Welsches und den Suisses alémaniques portraitieren soll.

Eines wunderschönen Sommertages, als ich noch ganz neu im Welschland war, wurde im Familienkreis angeregt, dass wir das Mittagessen in Form eines Barbecues zu uns nehmen könnten. Weil ein Grill-Event akribisch geplant werden muss und dabei nichts dem Zufall überlassen werden darf, begann ich umgehend, Pflichtenhefte, Einsatz- und Ressourcenpläne auszuarbeiten. Zunächst ist zu erwägen, ob Rollbraten oder Fleischstücken der Vorzug zu geben wäre; träfe ersteres zu, bräuchte man einen Grillspiess sowie einen Elektromotor. Holzkohle wäre auch nicht schlecht. Ausserdem, man höre und staune – einen Grill. Als Ausgangsbasis der Veranstaltung. Ich bewaffnete mich mit einer Einkaufsliste und verlegte in die benachbarte Ortschaft, um daselbst die logistische Lage für grillfähige Lebensmittel zu re­ko­g­nos­zie­ren – während sich les Welsches ein Fläschchen Chasselas genehmigten.

Keine drei Stunden später: Der Apéro war beendet, man äusserte, dass man langsam Appetit bekommen habe und durchaus etwas Essbares vertragen könne. Auf meine Frage, ob sich inzwischen jemand an die Existenz eines Holzkohlengrills erinnert habe, wurde ich in die familieneigene Gartenhütte geschickt. Dort stöberte ich nach längerem Suchen einen verrosteten Grill auf, einen Spiess, einen Motor und eine Batterie – die das Ende ihres Lebenszyklus fünf Jahre zuvor erreicht hatte. «Quelqu’un» werde den Braten nun wohl manuell drehen müssen, meinten les Welsches complètement détendus. Es darf geraten werden, wer «quelqu’un» war.  

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