Verehrtes Publikum
Als ich Frau P. kürzlich von einer epochalen, mich begeisternden Idee für die nächste Kolumne berichtete, merkte sie kritisch an: «DAS Thema ist zu brisant, damit wirst Du keinen Blumentopf gewinnen.» Meistens höre ich auf das, was von der Gegenseite kommt, denn Frau P. verfügt nicht nur über eine Menge Lebenserfahrung, sondern weiss auch, wo bei mir der Hase im Pfeffer liegt, wie sie sich auszudrücken beliebt.
Bevor ich erneut versuchte, ihr das zur Debatte stehende Thema schmackhaft zu machen, hielt ich es für unerlässlich, Frau P. in einem Exkurs darüber zu belehren, dass bei mir weder Hasen noch Rehe noch Wildschweine oder andere Waldbewohner im Pfeffer oder ähnlichen Marinaden liegen, da ich generell keinerlei Wildtiere zu verspeisen pflege. Für mich geht es dabei um Respekt vor der Kreatur – es scheint mir angemessener, wenn Bambis im Unterholz und nicht auf Rotkohl mit Bratensauce liegen.
Andererseits ist es nicht so, dass ich Vegetarier wäre, wie man nach meiner Einlassung zu Wild vermuten könnte. Mein Vater stand dem Vegetarismus sogar ziemlich distanziert gegenüber: «Ich halte es für unfair, dem Vieh auf den Weiden das Gras wegzufressen.»
Nachdem ich Frau P. diese Zusammenhänge geduldig dargelegt hatte, holte sie tief Luft und sagte: «Kommen wir zurück zur Sache: Ich an Deiner Stelle würde mir das alles noch mal überlegen.» – «Ob ich meine Essgewohnheiten ändern sollte?» – «Non, Monsieur, das Thema für die nächste Kolumne!» – «Du meinst, es sei zu brisant?» – «Es könnte Dich Sympathien kosten, weil Du regelmässig durchstartest, wenn dieses Thema aufs Tapet kommt.»
Es folgte eine lebhafte Diskussion darüber, wer von uns bei welchen Themen durchstartet und auf welche Weise bei innerfamiliären Disputen vorzugehen sei, um Kollateralschäden minimal zu halten. Frau P. wollte nicht noch mehr Öl ins Feuer giessen und gab dem Gespräch eine unerwartete Wendung: «Hast Du Dir eigentlich schon mal Gedanken über die nächste Kolumne gemacht?»