Verehrtes Publikum
Zu den Stereotypen, die mit der Schweiz regelmässig assoziiert werden, gehören neben Schokolade, Käse und Taschenmessern natürlich die Banken. Was wäre die Schweiz ohne die imposanten Gebäude in der Zürcher Bahnhofstrasse? Das Ausland hat einen eher ambivalenten Blick auf unsere Geldinstitute – einerseits sind sie ein Synonym für Solidität und Sicherheit, andererseits werden sie diverser Betrügereien bezichtigt.
Meine Erfahrungen mit Schweizer Kreditanstalten begannen anfangs 1989, als wir frisch in die Schweiz umgesiedelt waren. Wir wohnten zunächst in der Nähe von Zofingen, woselbst uns die Verwandtschaft empfahl, ein Konto bei der «Allgemeinen Aargauischen Ersparniskasse» zu eröffnen. Gesagt, getan.
Die Ersparniskasse beeindruckte uns durch ihre familiären Umgangsformen. Einmal erlebte ich, dass ca. 4 Personen vor mir ein Kunde am Schalter leise und diskret nach Schweizer Art seinen Kontostand abfragte. Der Schalterbeamte, der dem Buchhalter Nötzli verblüffend glich, rief laut und vernehmlich durch die Schalterhalle: «1’864 Franken 70, Herr Meier.»
Dann war die Reihe an mir. Nachdem Nötzli seinen Schock überwunden hatte, den ich durch meine hochdeutsche Diktion bei ihm ausgelöst hatte, fragte er nach meinem Begehr. Ich wollte einfach nur ein Gehaltskonto für mich und Frau P. eröffnen. Um die Bargeldbeschaffung zu erleichtern, beantragte ich EC-Karten für mich UND meine Frau. Dies stiess bei Nötzli nicht auf Zustimmung, er müsse den Herrn Filialleiter fragen, ob so etwas genehmigungsfähig sei.
15 Minuten später wurde ich beschieden, dass es bei ihnen nicht üblich sei, DER FRAU eine Kontovollmacht zu geben. Nach längeren Diskussionen wurde mir dann doch widerwillig zugesagt, dass auch DIE FRAU eine EC-Karte bekäme.
Auf mehrfache Nachfrage erhielt meine Frau schliesslich tatsächlich eine EC-Karte mit dem Aufdruck: «P. Peters, Konto von Herrn Peters». Dies war der Beitrag der Ersparniskasse zur Aufrechterhaltung der göttlichen Ordnung.