Verehrtes Publikum
Kürzlich erweckte eine unscheinbare Zeitungsnotiz mein Interesse. Darin wurde berichtet, dass eine Münchner Kunstgalerie den Titel eines Gemäldes von August Macke geändert habe. Ursprünglich hatte das Bild «Reitende Indianer beim Zelt» geheissen. Gemäss Galerieleitung spiegele das Wort «Indianer» jedoch «teilweise herabwürdigende, sogar rassistische Elemente des damaligen Zeitgeistes wider» und wurde durch I******* ersetzt. Es ist nicht das erste Mal, dass man sich erlaubt, August Macke zu interpretieren – im Jahr 1937 nahm sein Werk zwangsweise an der deutschlandweiten Wanderausstellung «Entartete Kunst» teil.
Um dem heutigen Zeitgeist der Eliminierung kultureller Aneignung noch besser zu entsprechen, schlage ich eine vollständige Neubenennung des Bildes vor: «Auf vierbeinigen Unpaarhufern befindliche Indigene nordamerikanischer Graslandschaften, die von weissen, landhungrigen Siedlern mit freundlicher Unterstützung der US-Kavallerie fast vollständig ausgerottet wurden, bei temporärer Behausung aus Stoffen und Tierhäuten, die einen mehr oder weniger guten Schutz vor Wind und Wetter bietet.»
In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, dem Ursprung der inkriminierten Bezeichnung I******* nachzuspüren. Alles begann anno domini 1492, als ein italienischer Seefahrer in kastilischen Diensten den Auftrag erhielt, den Seeweg nach Indien zu erkunden. Also machte sich auf der Genueser Cristóbal Colón und segelte frohen Mutes nach Westen.
Sie segelten und segelten, bis der Ausguck schrie: «Capitan! Lando in Sichto!» – «Welch Lando sichto?», brüllte Kolumbus nach oben. «Weiss ich doch nicht, ich war noch nie in der Gegend.» Das war eine Antwort, die der Kapitän nicht durchgehen lassen konnte. Er liess den Ausguck kielholen und anschliessend den Haien zum Frasse vorwerfen.
Sie segelten weiter. Eine Insel kam in Sicht. Sie legten an, der Kapitän ging an Land. Dort lungerten ein paar Eingeborene herum. «Bist du ein I*******?», fragte Kolumbus einen von ihnen. Der Angesprochene trat vor, formte seine Hände zu einem Trichter, führte diesen zum Munde und antwortete: «Houka, chakka! – Houka, ckakka!» Woraufhin er von K. herzhaft eine geknallt bekam. Hier zeichnete sich bereits ansatzweise ab, dass es für die Europäer nicht einfach werden würde, die widerborstigen Wilden mit den Segnungen der Zivilisation vertraut zu machen.