Verehrtes Publikum
Kürzlich hörte ich im Radio eine kurze Meldung, die mich aufhorchen liess. In einer Studie zum Thema Wohnungsgrössen hätten Experten festgestellt, dass dem grössten Anteil der über 65-Jährigen, die in Städten wohnen, im Schnitt zwei Zimmer zu viel zur Verfügung stünden. Leider hatte ich nicht konzentriert genug zugehört, um registrieren zu können, wer diese sogenannten Experten waren. Sehr oft ist es erhellend, «Expertenmeinungen» unter dem Aspekt zu betrachten, auf wessen Lohnliste solche Koryphäen stehen.
Kommen wir zurück auf die Rentner, die der Generation Z den Wohnraum in den Städten streitig machen. Da hocken diese halsstarrigen Typen, die nichts mehr zum Bruttosozialprodukt beitragen, in ihren 4-Zimmer-Wohnungen in bester Innenstadtlage, setzen keinen Fuss vor die Tür und denken: «Die Jungen können uns mal im Mondschein begegnen!» Damit sind sie zweifellos als Volksschädlinge einzustufen – sie hindern die Generation Z daran, in ihrer 4-Tage-Woche ihre Work-Life-Balance in angemessenem Wohnumfeld zu entfalten! Um dieses Problem zu lösen, wird im Folgenden ein Vorschlag zur nachhaltigen Wohnraumbewirtschaftung vorgelegt:
Da mit fortschreitendem Alter bekanntlich die Mobilität zurückgeht, ist es für Rentner vollkommen ausreichend, ein Zimmer mit 8 m2 zu bewohnen. Was das Angebot solcher Räumlichkeiten betrifft, kämen hier in erster Linie Bretterverschläge in Kellern in Betracht. Man kann diese Unterkünfte sehr ansprechend einrichten; auf einem Holztisch bastelt der Mann Lego-Tankstellen, die Frau häkelt Topflappen oder schält Kartoffeln, während schmissige Ländlermusik aus dem Langwellenradio für gute Laune sorgt. Hinter einem dekorativen Vorhang ist der mehr funktionale Teil der Wohnung untergebracht. Dort befinden sich ein Campingkocher und ein Spülstein. Im Hof gibt es eine Garten-Solardusche sowie eine Kompost-Latrine für die unerlässliche Hygiene, die Nächte werden gemeinsam mit den anderen Rentnern aus der Kelleretage im heimeligen Luftschutzraum verbracht. Für einen solchen Komfort hätte zu Jeremias Gotthelfs Zeiten sicher mancher Altbauer im Emmental unserem Herrgott auf Knien gedankt!