Wenn einer eine Reise tut

Wenn einer eine Reise tut

Verehrtes Publikum

Fernweh ist ein Gefühl, das wir wohl alle kennen. Dieser Drang, der heimatlichen Enge zu entfliehen, an paradiesischen Stränden zu faulenzen, exotische Menschen zu treffen und auf Abenteuerreise zu gehen, zerreisst vielen schier das Herz. Betört von den Sirenengesängen der Tourismusbranche, können es  die meisten kaum erwarten, endlich ihre Koffer zu packen.

Bevor wir uns meinen eigenen Reiseerfahrungen zuwenden, ein Wort zum Reisen als Schweizer Nationalsport: Blicke ich mich im Bekanntenkreis um, dann gewinne ich den Eindruck, dass Reisen bei uns eine Olympiadisziplin ist; wer noch nie nachts auf dem Nanga Parbat stand, noch nie Apnoetauchen in der Magellanstrasse war und noch nie auf dem Rücken von stolzen Kaiserpinguinen die endlosen Eiswüsten der Antarktis durchmessen hat, gilt hierzulande als touristische Nullnummer.

Ich würde nicht behaupten, aus einer Seefahrerfamilie zu stammen, dennoch scheinen meine Vorfahren das Meer geliebt zu haben. Namentlich meine Mutter, der eine unstillbare Sehnsucht nach den Weiten der Ozeane zu eigen war, die sie mir mit diversen Massnahmen nahezubringen versuchte.

Als ich das Alter von 13,5 Jahren erreicht hatte, wurde vom mütterlichen Flottenkommando angeordnet, dass ich eine Seereise von Hamburg nach London anzutreten hätte, um meinen Brieffreund zu besuchen. Bis Cuxhaven ging’s ganz gut, ab Feuerschiff Elbe 1 war ich dann hauptsächlich damit beschäftigt, die Aussenbordkameraden zu füttern, statt die Fahrt zu geniessen.

Sechs Jahre später wurde ich nach Arcachon geschickt, der Partnerstadt meiner Geburtsstadt. Dort gab es Austern. Eine von ihnen war nicht mehr taufrisch und hätte mich beinahe in der Blüte meiner Jugend hinweggerafft.

Vor fünf Jahren war ich in der Normandie. Diesmal war es eine im Wortsinne «miese» Miesmuschel, die mir Gelegenheit gab, die Effizienz des französischen Rettungs- und Spitalwesens zu überprüfen.

Seitdem nehme ich an keiner Schweizer Reiseolympiade mehr teil, sondern sitze lieber brav zu Hause in unserer Küche und esse Wurstsalat mit Burebrot.  

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